Vom Weißen Privileg
Im Thema-Ressort der Juli-Ausgabe beschäftigten wir uns mit dem Thema Rassismus – unter anderem damit, dass Weiße Menschen lernen müssen, ihre eigene Position im System kritisch zu hinterfragen.
Unter dem Hashtag #kritischeWeiß_heiten beziehungsweiße #KritischesWeißsein rufen die Journalist*innen Josephine Apraku und Malcolm Ohanwe in sozialen Medien Weiße Menschen dazu auf, ihre Privilegien zu reflektieren. Denn seit Jahren müssen Black, Indigenous und People of Colour (BIPoC) immer wieder erklären, dass Rassismus nach dem Zweiten Weltkrieg nicht verschwunden ist, dass er strukturell und allgegenwärtig ist. Um gegen Rassismus zu kämpfen, erledigen BIPoC dabei die Arbeit, die Weiße Menschen machen sollten.
Die Idee des „Kritischen Weißseins“ ist es, sich statt auf die Diskriminierten, auf die Privilegierten zu fokussieren und auf die Strukturen, die hinter der Hierarchie stehen. In ihrem Buch „Was weiße Menschen über Rassismus nicht hören wollen, aber wissen sollten“ erklärt Alice Hasters, dass die Kategorie des Weißseins als Norm genauso konstruiert ist wie die Kategorie des Schwarzseins als Abweichung von dieser Norm. Um das zu verdeutlichen, werden die Begriffe Weiß und Schwarz häufig kursiv oder groß geschrieben.
Akademischer Hintergrund
Theoretische Vordenker*innen waren in den USA beispielsweise bell hooks oder James Baldwin, die Weiße Privilegien in ihre Analyse von Rassismus miteinbezogen. Als Gründungswerk der „Critical Whiteness Studies“ gilt eine Essay-Sammlung (1992) der afroamerikanischen Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison. Die deutsche akademische Diskussion über Weiße Privilegien steckt noch in den Kinderschuhen. Der Sammelband „Mythen, Masken und Subjekte“ von Maureen Maisha Eggers, Grada Kilomba, Peggy Piesche und Susan Arndt stellt ein Grundlagenwerk dar. Er zeigt unter anderem auch das Problem in der Wissenschaft auf: Die sogenannte Weltgeschichte ist die Geschichte Weißer Menschen – geschrieben von Weißen Menschen, für Weiße Menschen. Das wird tagtäglich im akademischen Betrieb reproduziert.
Strukturelles Problem
Rassismus ist ein System. Das Problem nur im rechten Spektrum und expliziten Äußerungen zu sehen, verschleiert, dass Rassismus integraler Teil der Gesellschaft und uns selbst ist. Die Fokussierung auf Nazis dient der Externalisierung des Problems. So wurde in Deutschland auch die Debatte um die Ermordung George Floyds geführt. Rassismus? In den USA sicher, aber in Deutschland? Wir werden rassistisch sozialisiert. Das bedeutet, wir wachsen mit bestimmten rassistischen Vorstellungen und Vorurteilen auf, die wir unbewusst in uns tragen und die historisch gewachsen sind. Der Wohlstand von Weißen in Deutschland baut auf Kolonialismus und der andauernden Ausbeutung von BIPoC weltweit auf. Weiße Deutsche profitieren von der institutionellen Verankerung von Rassismus. Wir müssen uns keine Sorgen machen, allein wegen des Namens oder der zugeschriebenen „Herkunft“ Ablehnung zu erfahren, Jobs nicht zu bekommen oder grundlos von der Polizei kontrolliert zu werden. Doch das ist die Realität von BIPoC in Deutschland. Jeden Tag. Weißsein bedeutet unsichtbar sein zu können, wenn man es möchte und sich Gehör verschaffen zu können, wenn man es braucht. Was also tun?
Rassismus verstehen lernen
Da wären unter anderem drei Bücher: das bereits erwähnte Buch von Alice Hasters, Tupoka Ogette mit „exit RACISM“, und „Unter Weißen: Was es heißt, privilegiert zu sein“ von Mohamed Amjahid. Die ersten beiden Buchtipps gibt es auch als Hörfassung und auch ihren Social-Media-Accounts zu folgen, bringt wichtige Einsichten zum Thema. Ansonsten ist es wichtig, Zuhören zu lernen. Es ist nicht die Aufgabe von BIPoC Aufklärungsarbeit für Weiße Menschen zu leisten. Sollten sie es aber doch tun, dann müssen wir zuhören!
Reflektion und*Austausch
Tauschen wir uns mit anderen Weißen Menschen aus und reflektieren wir unsere Privilegien ehrlich und offen! Das Ganze ist ein anstrengender Prozess. Niemand ist irgendwann fertig kritisch Weiß. Schamgefühle und Fehler sind unvermeidbar. Aber es bleibt ein Privileg, sich mit den eigenen Privilegien befassen zu können und nicht täglich mit Diskriminierung konfrontiert sein zu müssen.
Die Konsequenzen ziehen
Rassismus ist ein Konstrukt Weißer Menschen und es ist die Aufgabe Weißer Menschen, dieses Machtverhältnis abzuschaffen. Die kritische Reflektion des Weißen Privilegs ist nur der erste Schritt zur Abschaffung des Systems Rassismus.
Grafik: Marie Nowicki
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