Die Königin der Dissonanzen
Die Florence Foster Jenkins Story erzählt von der liebenswert exzentrische Operndiva, die es in den 1920 er Jahren zum Kultstatus schaffte. Ein Film von Ralf Pleger im Rahmen des Queerfilmfestivals.
Der Regisseur Ralf Pleger komponiert einen dokumentarischen Film voll schräger Töne, im wörtlichen Sinne, und davon mehr als genug. Doch hinter dieser dissonanten Stimmgewalt steckt eine Dame mit einem Traum, so groß, dass dieser Traum am Ende die Carnegie Hall in New York füllen wird.
„Die Jenkins“, wie sie kurz genannt wird, wollte schon immer Opernsängerin werden. Doch der Vater verbot es, war es doch für eine Frau ihres Standes nicht angemessen. Gut heiraten und die Salondame geben, das war ihre Bestimmung. Doch Florence widersetzte sich, zog mit 16 Jahren aus und heiratete einen reichen Arzt, Dr. Jenkins, um dem Einfluss ihres Vaters zu entkommen. Den Traum vom Singen erfüllte sie sich gleich mit, nahm Gesangsunterricht und sang auf kleineren Veranstaltungen. Ihre Auftritte sorgten für Begeisterung, war es doch Entertainment pur, eine absolut von sich überzeugte Opernsängerin, die kaum einen Ton traf. Ob sie an Wahnvorstellungen litt oder die ihr nachgesagte Syphilis zu einer veränderten Wahrnehmung beitrug, ist bis heute ungeklärt. Die Jenkins sorgte für ein Amüsement der besonderen Art, die Auftritte wurden größer und größer. Im Alter von 74 Jahren debütierte sie in der Carnegie Hall, die Tickets waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Kurz darauf starb Florence Foster Jenkins.
Ralf Pleger vermischt für seinen dokumentarischen Film Originaltonaufnahmen und Interviews mit nachgestellter Inszenierung, mit Joyce DiDinato in der Rolle der Jenkins. Dabei stellt Pleger die schillernd bunte Welt der Diva in Kontrast zur Wahrnehmung des Publikums. Während sie singt, hört sie sich in den reinsten Tönen, nimmt ihre Stimme als wahres Wunder wahr und ist somit wirklich von der Qualität ihrer Darbietung überzeugt. Die Bilder aus ihrer Sicht sind somit voller Glanz und stimmlicher Schönheit, wechseln dann wieder zu matten Ausschnitten und dissonanten Klängen, wie wir als Publikum sie wahrnehmen. Es kommen sowohl Zeitzeugen wie ihr Pianist, ihr Lebensgefährte oder ein ehemaliger Besucher ihrer Opern, als auch Historiker, Musikwissenschaftler und eine Sängerin zur Sprache. Sie alle sehen etwas Besonderes in Florence Foster Jenkins, das weit über ihre reine Darstellungsform hinaus geht und es gibt einem das Gefühl, das „Monster der Eitelkeit“ wirklich kennen zu lernen. Vor allem der Wechsel zwischen ihrer und Publikumswahrnehmung macht ihren Charakter auf feinfühlige Weise sympathisch.
Als Zuschauerin brachten mich ihre stimmlichen Schieflagen oft zum Lachen und es wundert mich nicht, dass ihre Konzerte von lautem Applaus gefüllt waren, konnte doch so das Lachen übertönt werden. Die Frau war Kult und galt als must-see in der gehobenen Gesellschaft, das Publikum passte sich entsprechend an und fand Möglichkeiten, die Singende nicht zu blamieren. Es scheint, als wollte niemand, der sich eine Karte für ihre Auftritte kaufte, für ihr Karriereende verantwortlich sein.
Im Film wird das Bild einer exzentrischen aber sehr liebenswerten Dame gezeichnet, deren Arbeit hauptsächlich wohltätigen Zwecken diente und die sich gesellschaftlichen Regeln mit ihrem Eigensinn entgegensetzte. Vielleicht war Florence Foster Jenkins das Vorbild für Imperfektion, so ehrlich und ehrgeizig kreativ gelebt, dass man sie einfach respektieren musste. Schließlich zeigte sie mit ihrem Verhalten auch, was andere erst gar nicht versuchten: Etwas zu wagen und sich notfalls für seinen Traum lächerlich zu machen. Wir können heute noch viel von Florence Foster Jenkins lernen.
Das Queerfilmfestival findet noch bis Sonntag 6. September statt und bietet sowohl Filme in den Passage Kinos als auch ein Online-Programm an. Programm und Tickets unter www.queerfilmfestival.net.
Fotos: Philipp Babendererde
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