Mein Vater, die Frau
„Eine total normale Familie“ beschäftigt sich mit Veränderungen, die erstmal schwer zu akzeptieren sind. Familienvater Thomas möchte nun Agnete heißen. Ein gelungener Abschluss des Queerfilmfestivals.
Die 11-jährige Emma (Kaya Toft Loholt) lebt in einer ganz normalen Familie. Bis ihre Mutter eines Tages sagt, dass sie und ihr Vater sich scheiden lassen. Erster Schock. Dann kommt der Grund dafür: Vater Thomas (Mikkel Boe Følsgaard) möchte von nun an als Frau leben. Zweiter Schock. Und schon ist das Leben einfach nur Chaos. Dabei will Emma doch nur eines: dass alles so bleibt, wie es ist.
Regisseurin Malou Reyman zeigt einen unglaublich berührenden Film über eine Familie, die droht, auseinanderzubrechen. So zumindest aus der Sicht von Protagonistin Emma. Dabei ist der Konflikt jedes einzelnen Familienmitgliedes auf sehr sensible Art dargestellt. Die Mutter verliert ihren Ehemann und hat das Bedürfnis, diesen zu verabschieden, was bei den Kindern zu entsetzen führt, denn „Papa ist doch nicht tot!“ Papa vielleicht nicht, der Mann in ihm verschwindet jedoch mit jedem „Verwandlungsschritt“ ein bisschen mehr. Agnete, die nun in Kleidern zur Familientherapie erscheint, möchte sich endlich als richtige Frau fühlen dürfen aber ihren Kindern dennoch weiterhin ein guter Vater sein. Teenie Caroline (Rigmor Ranthe) will, dass alles gut ist und passt sich der Veränderung erstaunlich schnell an. Deshalb erfährt Emma von der Schwester wenig Verständnis für ihre Wut und muss ihren eigenen Weg finden, mit dem veränderten Auftreten ihres Vaters umzugehen. Plötzlich ist sie diejenige, über die ihre Fußballkameraden hinter vorgehaltener Hand tuscheln. Doch Emma lernt, nicht aufzugeben. Ihre Entwicklung zeigt sich besonders gut beim Fußball. Anfangs ging es ihr ums Gewinnen und der Frust war groß, wenn es nicht klappte. Am Ende bekommt sie den Titel „Kämpferin des Jahres“ verliehen, der auch für ihren Kampf in der Neuausrichtung ihrer Vater-Tochter-Beziehung steht. So schwer es ihr auch fällt, dieses Anderssein ihres Vaters und in der Gesellschaft zu akzeptieren, so sehr versucht sie sich auch immer wieder ein Stückchen darauf einzulassen.
Der Film zeigt feinfühlig die Sorgen und Fragen, die mit einer solchen Veränderung einhergehen. Als Agnete ihr Outing hat, fragen die Kinder: Ist das eine Krankheit? Aber man kann sich sein Geschlecht doch nicht aussuchen? Es sind Fragen, die sich vielleicht immer noch viele Menschen stellen, die nicht wissen, wie sie mit der Thematik umgehen sollen, vielleicht keinerlei Berührungspunkte damit haben. Und Malou macht mit ihrer leichten Art im Umgang damit ein Angebot, ins Gespräch zu kommen. In einem Interview sagt die Regisseurin: „Das Gerede über politische Korrektheit macht den Leuten Angst, etwas Falsches zu sagen, und gewiss macht es ihnen Angst zu lachen.“ Und weiter: „Wir haben einige Probeaufführungen des Films veranstaltet und einige Zuschauer waren schockiert, dass gelacht wurde, und fragten sich, wie die Regisseurin wohl darauf reagieren würde. Darauf kann ich nur antworten: Ich finde das großartig! Es gibt noch viel zu tun, aber ich möchte, dass die Leute lachen.“
Reyman selbst wuchs mit einem trans Vater auf, hat eine Geschichte wie diese erlebt. Dennoch ist sie nicht ihre eigene, sondern die fiktiver Personen, wie sie sagt. Aber es erklärt die feinen Zwischentöne, das fühlbare Unausgesprochene, das mich als Zuschauerin gefesselt hat. Als Konstante werden alte Videoaufnahmen eingesetzt, welche die Familie zeigen, wie sie vor Agnetes geschlechtlicher Anpassung war – und sie schließt mit einer Aufnahme von der jetzigen Familie, in der auch Emma sich wieder wohlfühlen kann. Denn eines ist sicher: „Sie wird immer unser Vater bleiben.“
Fotos: Haut et Court
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