Keinen Leerstand dulden
Die Debatte um Wohnungsleerstand muss schärfer geführt werden. Die bisherigen Lösungsvorschläge greifen nicht weit genug, da sie Geringverdienende außer Acht lassen.
Ein privater Rückzugsort, trocken, warm, mit Strom-, Wasser- und Internetanschluss darf in Deutschland kein Luxus für einige Wenige sein. Beklemmende Bilder von Sammelunterkünften sind nur erträglich unter der Prämisse der vorübergehenden Zwischenlösung. Gerade die sehr häuslichen Pandemiemonate verdeutlich(t)en, wie wichtig eine gewisse Größe, Gemütlichkeit, Helligkeit, aber nicht Hellhörigkeit der Wohnung ist. Lernen und Arbeiten von zu Hause aus, aber auch Regenerieren ist schwierig ohne eigene vier Wände mit gewissem Komfort.
Dass es an der Umsetzung dieses Wohnungsideals für alle hapert, merkt spätestens, wer selbst eine neue Wohnung sucht, die nicht im 400-Einwohner*innen-Ort, sondern beispielsweise in Leipzig liegt. Auch wenn die Situation hier vielleicht noch entspannter ist als andernorts: Ein Wohnungsmarkt, auf dem auf Augenhöhe verhandelt würde, liegt in weiter Ferne. Genug potenzielle Mieter*innen stehen Schlange. So bleibt den Wohnungssuchenden nur das Anbiedern bei der Hausverwaltung, um eine Wohnung zu ergattern, die mehr kostet, als der Mietspiegel vorsieht.
Wohnungssuchende auf die sich leerenden Dörfer zu verweisen, verfängt nicht, wenn dort keine gleichwertigen Arbeitsstellen zur Verfügung stehen und man ein Kulturangebot, das aus Skatrunde und Kirmesburschen besteht, nicht als ausreichend erachtet. Leerstehende Wohnungen in Leipzig trotz einer sich steigernden Wohnungsknappheit sind ein Missstand. Wenn erst eine Hausbesetzung öffentlichkeitswirksam darauf hinweisen konnte, war sie vielleicht das probate Mittel. Denn eine weitreichendere Diskussion darüber, wie die künftige Wohnungsversorgung gestaltet werden soll, ist notwendig.
Bisherige Lösungsvorschläge gehen nicht weit genug: Die Festsetzung einer Strafzahlung können Eigentümer*innen verschmerzen, wenn die mit der Immobilie erzielte Rendite hoch genug ist. Und Sozialbindungen dürfen nur befristet vereinbart werden. Wirkungsvoller erscheint die nach dem Berliner Zweckentfremdungsverbotsgesetz mögliche Einsetzung eines Treuhänders, der leerstehende Wohnungen wieder einer Nutzung zuführen soll. Bleibt noch das Problem, dass dieser Wohnraum auch für weniger gut verdienende Menschen bezahlbar sein muss.
Auf die Forderung weitreichenderer staatlicher Eingriffe reagieren erstaunlicherweise viele Menschen, auch solche, die sich Luxuswohnungen eher nicht leisten können, sofort allergisch. Dabei geht es hier nicht um das kleine selbstbewohnte Eigenheim. Auch ist Eigentum an einem Mehrparteienhaus als Altersvorsorge an sich nicht verwerflich. Ein Wohnhaus aber nur zu haben, um es zu haben und dabei die bestimmungsgemäße Nutzung zu verhindern, ist nicht sozial. Denn Wohnraum ist ein begrenztes Gut. Will man allen ein angemessenes Wohnen ermöglichen, dürfen Politiker*innen und Wähler*innen auch vor Umverteilung und Regulierung nicht zurückschrecken. Eine unumstößliche Eigentumsgarantie, welche die*den schützt, die*der ein Wohnhaus leerstehen lässt, gibt es nicht.
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