Barriere, frei!
Für Menschen mit Behinderungen kann es eine Herausforderung sein, das passende Sportangebot zu finden. Das sächsische Projekt „miss“ setzt sich deswegen für mehr Inklusion im Sport ein.
Wer als Mensch mit Behinderung nach passenden Sportangeboten sucht, kann es schwer haben. Sich einen Überblick zu verschaffen und die zu den persönlichen Vorlieben passende Sportart in seiner Nähe zu finden, kann extrem viel Zeit und Energie kosten.
Dieser Problematik versucht sich das „miss – Mehr Inklusion im Sport in Sachsen“-Projekt des sächsischen Behinderten- und Rehabilitationssportverbandes anzunehmen, das von der Aktion Mensch gefördert wird.
Nach der ersten Idee wurde 2014 zunächst eine Bedarfsumfrage in Leipzig gestartet. Die Ergebnisse der Umfrage haben gezeigt, dass Inklusion im Leipziger Sport noch nicht richtig angekommen war. Laut Anne Findeisen, der Projektleiterin von „miss”, sind „wichtige Faktoren für Veränderung die Öffentlichkeitsarbeit und die Sensibilisierung der Gesellschaft.“ Aus diesen Ergebnissen entstand 2015 das Projekt „Mehr Inklusion im Breitensport in Leipzig“, der Vorgänger des heutigen „miss“-Projektes, das es seit Ende 2018 gibt.
„Wir wollen Strukturen schaffen, um Menschen mit Behinderung die Möglichkeit zu geben, selbst zu wählen, ob sie an einem behindertenspezifischen Angebot, oder lieber am allgemeinen Sport, der inklusiv aufgestellt ist, teilnehmen möchten“, meint Findeisen, deren Stelle von den Geldern der Aktion Mensch mitfinanziert wird. In der Theorie ist das sehr einfach, bei der Umsetzung sieht es aber oft anders aus. Weiter beschreibt Findeisen, dass ganz unabhängig von Problemen der physischen Barrierefreiheit, die leider ein großes Anliegen sind, heutzutage für viele Menschen auch noch mentale Barrieren bestehen. Es gibt viele Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung, die das Projekt mit mehr Aufklärung und Sensibilisierung für das Thema zu beseitigen versucht. Der Inklusionsbegriff selbst löst oft Verwirrung aus, weil er in der Öffentlichkeit nicht klar definiert ist. Gerade das sehr wichtige Ehrenamt ist davon betroffen. Viele Vereine machen zwar oft schon inklusiven Sport, vermitteln diesen aber nicht proaktiv. „Hier setzt die Sportlandkarte an, die genau diese Angebote sammelt, um Menschen mit Behinderung einen Überblick zu geben, wo sie Angebote finden und willkommen sind“, sagt Findeisen.
Für Sonja Golinski, die Yogakurse für Menschen im Rollstuhl anbietet und hauptberuflich Quartiersmanagerin in Paunsdorf ist, ist das größte Problem bei ihrer Arbeit ein anderes: „In Leipzig gibt es kein einziges barrierefreies Yogastudio. Ich weiß aktuell nicht, wo ich meine Kurse anbieten soll.“ Sie hat auch schon Kurse für den Unisport gemacht. Die Turnhalle, in der die stattgefunden haben, war aber einfach zu groß. „Für Yoga braucht man ein gewisses Flair, das in einer Turnhalle nicht gegeben ist”, erklärt Golinski. Außerdem waren diese Kurse sehr schlecht bezahlt, sodass sie sich finanziell noch weniger gelohnt haben als die Kurse, die sie außerhalb des Unisports gibt. Da sie keine von der Krankenkasse zertifizierte Yogalehrerin ist, kommt bei ihren Kursen, welche sie außerhalb des Unisports noch gibt, hinzu, dass viele Rollstuhlfahrer diese gar nicht finanzieren können.
Zusätzlich scheitert es oft nicht nur an der schlechten Sichtbarkeit der Angebote, sondern auch an Unterstützung und Willen von potenziellen Trainern, denn „Yoga für Rollstuhlfahrer ist halt einfach nicht hip“, meint Golinski. Sie ist in ganz Sachsen und Sachsen-Anhalt momentan die Einzige, die Yoga für Rollstuhlfahrer anbietet.
Die beiden Frauen sind sich einig, dass jeder bei sich selbst anfangen muss, Vorurteile abzubauen, um bessere Inklusion zu ermöglichen.
Titelfoto: Andi Weiland, Gesellschaftsbilder.de
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