Anleitung zum Verlaufen
Der kostenlose Audiowalk von Bertram Weisshaar und Rüdiger Dittmar führt zu entlegenen Orten und informiert über grüne Infrastruktur in Leipzig und den Masterplan Grün.
Einfach nur Spazierengehen ist sowas von gestern – seit Juni kann man den Leipziger Osten mit einem Hörspaziergang entdecken. Während der gut 90 Minuten spricht Bertram Weisshaar vom Atelier Latent mit Rüdiger Dittmar, Leiter des Amts für Stadtgrün und Gewässer, über grüne Infrastruktur in Leipzig und den Masterplan Grün. Die Route und die dazugehörigen Audios hat die Stadt Leipzig auf ihrer Website veröffentlicht, komfortabler geht das Abspielen über die kostenlose App guidemate.
Einen Spaziergang im Grünen mit Kopfhörern zu machen, klingt erstmal nach einer mäßig tollen Idee – da kriegt man ja gar nichts von den schönen Naturgeräuschen mit. Aber daran haben die Entwickler*innen gedacht: Die Tour beginnt mit sanftem Vogelgezwitscher und der Aufforderung, ganz still zu sein – denn Spaziergangsforscher Weisshaar, der durch die Route führt, versucht, das Gras wachsen zu hören.
Laut Weisshaar soll der Audiowalk dazu dienen, „dem Grün eine Stimme zu verleihen“. Dieses Ziel verfehlt er aber. Wenn Bäume sprechen könnten, würden sie niemals mit einem solchen Amtsdeutsch um sich werfen, wie es Weisshaars Gesprächspartner Dittmar tut. Dadurch und durch viele Wiederholungen wird die Tour trotz interessanter Infos zu lang. Die Stimmen der beiden Männer scheinen sich irgendwann mit dem Rauschen der Blätter zu vermischen. Außerdem sollte man bedenken, dass die auf der Website versprochenen 90 Minuten die reine Hörzeit sind. Die Zeit, um von einer Station zur nächsten zu kommen, ist nicht mit einberechnet. Wenn man dann noch nach dem richtigen Weg suchen muss und vielleicht auch ein bisschen ohne Kopfhörer an den Stationen verweilen will, gehen ein halber Tag und ein voller Handyakku auf jeden Fall dabei drauf.
Schalten vielleicht auch die Ohren zwischendurch mal ab, findet sich beim Durchqueren verschiedener Wohngebiete zumindest Einiges an Inspiration, wo es sich später mal – mit Abschluss und mehr Geld in der Tasche – gut wohnen lässt. Und auch sonst gibt es viel zu entdecken, denn in die Auswahl der Wege floss eindeutig mehr Fantasie als in die Texte für die Audios. So geht es zum Beispiel über abenteuerliche Trampelpfade, durch verwinkelte Gassen und halbprivate Innenhöfe.
Die kurzen Wegbeschreibungen in den Audios hätten allerdings sinnvoller gestaltet werden können. Die Aufforderung, man solle denjenigen Trampelpfad nehmen, der neben einer Robinie beginnt, dürfte die meisten Studierenden (außer vielleicht die der Biologie) heillos überfordern.
Fazit: Eher eine Wanderung als ein Spaziergang – aber eine schöne und interessante für alle, die mehr über die Stadt wissen wollen, in der sie leben.
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