Lockdown und psychische Gesundheit: Kein Patentrezept
Der erneute Lockdown trifft uns anders als im Frühjahr. Warum das so ist und was ihr tun könnt, wenn euch die Pandemie psychisch zu schaffen macht, erfahrt ihr hier.
Das Ende des Jahres nähert sich, das Ende der globalen Pandemie leider noch nicht. Nach den Lockerungen im Sommer fühlt sich der erneute (Teil-)Lockdown an wie ein sehr belastendes, langanhaltendes Déjà-vu. Neben der zehrenden Auseinandersetzung mit Corona-Leugnenden auf Leipzigs Straßen kämpfen Menschen derweil um ihre innere Ausgeglichenheit, wenn nicht sogar psychische Gesundheit. Insbesondere für Menschen mit psychischen Vorerkrankungen ist diese Ausnahmesituation extrem belastend, da sie unter anderem depressive Episoden, Angstzustände oder andere psychische Gesundheitsprobleme auslösen kann. Auch für alle anderen führen die Corona-Schutzmaßnahmen zu weniger sozialen Kontakten und damit zu erhöhter Isolation. Das kann die Bewältigung des üblichen Alltags erschweren und das mentale Wohlergehen mindern.
Studierende sehen sich auch in diesem Semester der Herausforderung gegenübergestellt, ihr Studium vom eigenen Schreibtisch aus (oder war es das Bett?) fortzusetzen. Diejenigen, denen es momentan schwerfällt, mit der Situation umzugehen, haben stets die Möglichkeit, sich an die Psychosoziale Beratungsstelle des Studentenwerks Leipzig zu wenden. Dieses bietet unter anderem Online-Workshops für erfolgreiches Home-Studying, wertvolle Tipps für den Corona-Alltag, aber auch offene telefonische Sprechstunden und persönliche Einzelberatung an.
Ruth Dölemeyer, Diplom-Psychologin und Leiterin der Psychosozialen Beratungsstelle, verweist darauf, dass uns die erneute Lockdown-Situation anders treffe als es im Frühjahr der Fall war. Zwar hätten die Einschränkungen Anfang des Jahres einen stärkeren Kontrast zu unserer bis dahin herrschenden Normalität dargestellt, jedoch begleiten uns die Beschränkungen nun schon so lange, dass es zu einer Art „Ermüdungseffekt“ kommen könne, so Dölemeyer. „Das bedeutet nicht zwingend, dass die Regeln als unsinnig angesehen werden. Es geht vielmehr darum, dass es – ohne die Aussicht auf ein konkretes Ende – im Laufe der Zeit immer mehr Anstrengung erfordert, die Motivation zur Einhaltung der Einschränkungen aufrecht zu erhalten.“ Der Sommer habe einerseits eine Art Verschnaufpause geboten, andererseits sei es natürlich immer schwer (wiedergewonnene) Freiheiten aufzugeben. Dabei spielt auch der Winter eine Rolle. „Es wird früher dunkel und durch Nässe und Kälte können Treffen mit anderen Menschen nicht mehr so leicht nach draußen verlegt werden beziehungsweise sind ungemütlicher“, sagt Dölemeyer. Das habe große Auswirkungen auf das Sozialleben.
Für Studierende heiße das vor allem, dass sie nicht wie erhofft Vorlesungen und Seminare vor Ort besuchen, gemeinsame Pausen machen und persönlich in Austausch treten können, sondern den Großteil ihres Tages vor dem Computer sitzen. Nochmal schwieriger sei die Situation für internationale Studierende, führt Dölemeyer fort. Wie es ihrer Familie ergeht und was aktuell in ihrer Heimat passiert, können sie nur aus Entfernung verfolgen. „Außerdem ist es für sie wie auch für Erstsemester aktuell deutlich schwieriger, soziale Kontakte in Leipzig aufzubauen. Auch Studierende mit Kindern sind stark eingeschränkt und können die Online-Angebote der Hochschulen mitunter nur begrenzt nutzen.“ Studierende, die nicht in einer WG sondern alleine wohnen, leiden ebenfalls verstärkt unter den Kontaktbeschränkungen.
Um diesen zweiten Lockdown so gut es geht zu überstehen und einem drohenden „mental breakdown“ entgegen zu wirken, kann man beispielsweise auf der Website des Bundesgesundheitsministeriums oder auch auf dem Instagram-Kanal von Psychisch fit studieren einige hilfreiche Tipps finden. Diese können in solchen Zeiten zumindest ansatzweise etwas Orientierung und Struktur geben. Hier eine kleine Zusammenfassung mit Anregungen:
- Sorge für eine ausgewogene Ernährung und iss zu geregelten Zeiten. Wer in einer WG wohnt, kann gemeinsame Kochabende gestalten, alle anderen könnten zum Beispiel per Videokonferenz zusammen kochen.
- Kümmere dich um deine körperliche Gesundheit und treibe regelmäßig Sport. Welche Art von Sport ist fast egal, ein Workout zuhause, vor der Haustür oder ein Online-Sportkurs. Fest steht: Körperliche Aktivität hat einen positiven Effekt auf unsere psychische Gesundheit, das ist wissenschaftlich bewiesen.
- Gehe regelmäßig an die frische Luft. Spaziergänge sind unter Auflagen des geltenden Gesundheitsschutzes auch in Gesellschaft erlaubt. Nutze diese Möglichkeit.
- Pflege regelmäßig deine sozialen Kontakte. Verabrede dich beispielsweise täglich für Telefonate, Videoanrufe oder gemeinsame Online-Treffen.
- Stelle individuelle Routinen auf, die du einhalten kannst. Setze dir dabei erreichbare Tagesziele: Das Erledigen von realistisch gesteckten Zielen löst kurze Glücksgefühle aus.
- Sei aufmerksam und achte auf dich selbst! Dafür kann es hilfreich sein, immer mal wieder Gedanken niederzuschreiben oder Tagebucheinträge zu verfassen. Sollte dich die Situation zu sehr belasten, suche dir frühzeitig Hilfe.
- Mach es dir schön zuhause. Das ist natürlich von den individuellen Ressourcen abhängig. Wichtig ist aber, dass du dich dort, wo du gerade sehr viel Zeit verbringen musst, wohl fühlst. Hol dir zum Beispiel schöne Zimmerpflanzen, Lichterketten, Räucherstäbchen oder Kerzen.
- Begrenze deinen Medienkonsum und nutze Soziale Medien achtsam.
- Werde kreativ und beschäftige dich mit schönen Aktivitäten: Fang an zu zeichnen, zu musizieren, zu stricken, zu basteln. Oder starte zum Beispiel eine Brieffreundschaft.
- Versuche die Situation so wie sie gerade ist, zu akzeptieren. Wir leben in einer globalen Pandemie, es ist völlig in Ordnung, in dieser Situation weder produktiv noch leistungsfähig zu sein. Sei nachsichtig mit dir selbst.
Auch wenn manche dieser Ratschläge zunächst trivial klingen mögen, zielen sie zumindest in Ansätzen auf die Befriedigung einiger menschlichen Grundbedürfnisse. Natürlich sind sie kein Patenrezept und jede*r muss selbst für sich entscheiden, was machbar und hilfreich ist. Denn der Umgang mit der Pandemie „hängt von verschiedenen individuellen Faktoren ab“, sagt Dölemeyer. „Insgesamt ist es sinnvoll, sich bewusst zu machen, was trotz der schwierigen Situation noch alles möglich ist, statt den Fokus darauf zu legen, was nicht geht. Auch wenn der zeitliche Rahmen noch nicht feststeht, sollte man sich vor Augen halten, dass auch diese Zeit vorbeigeht.“
Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.