Es ist nicht immer drin, was draufsteht
Der Lockdown 2.0 ist da und irgendwo zwischen Online-Uni und Glühweinverbot ist es schwer in Weihnachtsstimmung zu kommen. Ein persönlicher Kommentar.
Vor dem Lockdown kam der Lockdown light. Was sollte das überhaupt sein, ein leichter Lockdown? Beim harten Lockdown muss alles dichtmachen, was nicht als systemrelevant gilt. Im leichten Lockdown musste nur alles schließen, was Spaß macht. Vorbei waren die Restaurant- und Barbesuche zwischen Plexiglasscheiben und Leitpfeilen, vorbei die Theater- und Kinoabende in halb gefüllten Sälen mit rot-weiß-bandagierten Puffer-Sitzen. Sowieso vorbei waren die Open-Air-Festivals und die sonnigen Freibad- und Badeseebesuche. Vorbei, vorbei, vorbei. Und was blieb? Lieferando.
Naja, und die Einkaufsstraßen, Passagen und Malls. Für den Kapitalismus ist schließlich immer Platz.
Aber wozu überhaupt einkaufen? Was will ich denn mit neuen Klamotten (Jogginghosen mal ausgenommen) oder jeglichen anderen lebensbejahenden und -verbessernden Konsumgütern, wenn alles Leben ohnehin stillzustehen scheint?
Mein Budget geht dieser Tage ohnehin für Take-Away-Lieferungen, Glühwein und Lebkuchen drauf, welche ich traurig vor meinem Laptop verspeise, sehnsüchtig von Weihnachtsmärkten und Präsenzveranstaltungen träumend.
Man muss nun kein Einstein sein, um zu verstehen, dass die Infektionsgefahr beim Einkaufsbummeln geringer ausfallen mag als bei Gruppentreffen in der Gastronomie. Und eine Wirtschaftskrise möchte schließlich auch niemand. Also ja, irgendwo konnte man die Sonderstellung des durch den Amazonas-Riesen ohnehin gefährdeten Einzelhandels vor der metaphorischen Corona-Schutzverordnungsaxt verstehen. Und dennoch, die Bitterkeit in den Herzen der Barbesitzer und Künstler, die Zeit, Mühe und Geld in Hygienekonzepte, Trennwände und neue Spielpläne investiert haben, ist nachvollziehbar.
Es mag ironisch sein, dass sich dieser Lockdown light umso schwerer anfühlte. Schwerer als der erste wenigstens. Das liegt am sogenannten Ermüdungseffekt. Aber da ist noch etwas.
So beängstigend die Situation zu Jahresbeginn auch gewesen sein mag, sie war neu, aufregend, historisch. Und da war diese unglaubliche Solidarität. Überall Zettel mit “Ich-kann-für-Sie-einkaufen”-Angeboten, Nachbarschaftshilfe, Verschenkung von selbstgenähten Masken. Und jetzt?
Der Shutdown im März hat uns allen Mühe und Kraft abverlangt – und Opfer. Darauf folgte ein Sommer der Entbehrungen: ohne Urlaube oder Festivals, dafür mit Maskenpflicht in stickigen Bussen. Und zum Dank dafür soll jetzt Weihnachten ausfallen?
Vielleicht bietet unsere Lage aber auch einen Denkanstoß mal in sich zu gehen und herauszufinden, was „Weihnachten“ eigentlich für uns bedeutet. Ist es das Essen? Geschenke? Gottesdienste? Schnee? Musik? Oder die Gesellschaft? Letztere fällt dieses Jahr flach oder wenigstens kleiner aus, aber ein Grund die Feiertage deswegen von vornherein als gescheitert zu erklären ist das noch lange nicht.
Trotzt doch statt den Regeln einfach dieser Frustration und dekoriert umso schöner, esst doppelt soviel und singt zweimal so laut.
Ich wünsche mir dieses Jahr vom Weihnachtsmann jedenfalls ein Fest, das leichter wird als dieser Lockdown.
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