Von wegen gesund
Ein Forschungsprojekt überprüft den Wahrheitsgehalt journalistischer Beiträge im Internet, die Hinweise zu gesunder Ernährung geben. Eine Analyse zeigt, welche Nahrung wirklich als gesund gilt.
Zahllose Artikel im Internet versprechen ihren Lesern, sie wüssten, welches Essen am besten für deren Gesundheit sei. Ob Low-Carb oder Eiweiß-Diät – die Ernährungsratgeber der Lieblingszeitschrift präsentieren Rezepte und stützen sich auf verschiedene Studien und medizinische Erkenntnisse. Inwiefern diese Inhalte valide sind, überprüft ein Zusammenschluss der Universitäten Leipzig, Halle und Jena in ihrem Forschungsprojekt Medien-Doktor Ernährung. Jede Universität beschäftigt sich dabei mit verschiedenen Schwerpunkten. Das Kompetenzcluster für Ernährung und kardiovaskuläre Gesundheit der Universitäten, genannt Nutricard, wird hierbei für sechs Jahre vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Analysiert wird pro Woche ein Beitrag aus den deutschen Medien. Aussagen zu den Auswirkungen bestimmter Lebensmittel, Diäten, Ernährungsformen oder Inhaltsstoffen werden anhand von zwölf Qualitätskriterien geprüft. Unter anderem wird dabei die Qualität der journalistischen Recherche oder verwendete Quellen untersucht. Jeweils zwei journalistische Gutachter prüfen die Qualitätskriterien und veröffentlichen ihre Ergebnisse online.
Im Jahr 2015 startete Dr. Tobias Höhn das Projekt im Alleingang und stellte die Frage, was die Menschen wirklich über Ernährung wissen, denn die Ernährungskommunikation sei so gut wie unerforscht. Höhn erklärt dabei, dass das Interesse des Verbrauchers im Zentrum der Untersuchung liegt, weshalb Verständlichkeit, Zuverlässigkeit sowie Unabhängigkeit der Beiträge bewertet werden. Das Projekt sei mit den Redaktionen gekoppelt, um die Journalisten der Texte über das Gutachten zu informieren und ihnen die Möglichkeit des Kontakts zu gewährleisten. „Uns geht es darum, den Ernährungsjournalismus seriöser und verständlicher zu machen“, erläutert Höhn.
Das Nutricard-Programm diene als präventives Angebot, das Handlungen der Menschen beeinflussen und ihnen Verständnis sowie Wissen zur Umsetzung und Integration gesunder Ernährung in den Alltag bringen soll. Weiterhin arbeitet das Projekt mit Restaurants zusammen und zeigt, wie sie ihr Menü optimieren und es somit gesund, aber appetitlich gestalten. Auch Informationsabende sollen während eines Dinners Aufklärung bieten. „Für jede Zielgruppe gibt es unterschiedliche Konzepte“, verdeutlicht Höhn. So wurde im Rahmen des Projekts unter anderem mit Kindern in Kindertagesstätten gesund gekocht. „Falsche Ernährung ist ein schleichender Prozess“, erzählt Höhn, „denn immerhin stehen wir täglich vor etwa 200 Ernährungsentscheidungen“. Die Bedeutung bewusster Ernährungskommunikation sei nicht nur aufgrund der steigenden Anzahl von Adipositas- und Diabetiserkrankungen hoch. Schlechte Ernährung sei zudem der häufigste Auslöser von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, so Höhn.
Als Hindernis der weiteren Forschung des Projekts benennt er die ausgehenden finanziellen Mittel, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung bis Juli 2021 stellt. Visionen wie die Entwicklung eines überregionalen Netzwerks, eines Zentrums für Ernährung mit dem Ziel der Erhöhung von Ernährungskompetenz der Verbraucher können ohne staatliche Förderung nicht umgesetzt werden.
Zur individuellen Ernährungsorientierung bietet das Projekt die Nutricard-App an. Mit dem Scannen der Barcodes auf den Produkten werden Inhaltsstoffe, Nährwerte, aber auch umstrittene Zutaten angezeigt. Dabei ist es möglich, zusätzliche Einstellungen wie bestimmte Ernährungsgewohnheiten oder Allergene zu treffen und die Lebensmittel daraufhin zu testen. Auch wenn die App auf eine Datenbank zurückgreift, weshalb nicht alle Produkte aufgeführt werden, solle sie laut Höhn eine einfache Hilfe für die Menschen darstellen. Seit Kurzem ist nun auch auf einigen Lebensmittelverpackungen der sogenannte Nutri-Score angegeben, der ihre Nährwertqualität aufgrund wissenschaftlich fundierter Algorithmen bewertet. Neben Höhns Leitsatz, „Gesund und Genuss schließen sich nicht aus“, betont er, dass die kleinen Sünden natürlich erlaubt seien.
Titelfoto: Pixabay
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