Wie sich Altbausanierung anfühlt
Kolumnistin Sophie erlebt gemischte Gefühle beim Nachdenken über schicke Altbauwohnungen, soziale Gefüge und einen unbequemen Nachbarn in ihrem Wohnhaus.
Wenn ich nach Leipzig gefragt werde, erzähle ich gern von meiner hübschen, sanierten Altbauwohnung. Die Lage ist fast perfekt, der Verkehrsanschluss nahezu hervorragend und das Haus selbst ein echtes Schmuckstück. Aber jede Medaille hat zwei Seiten, so auch meine Wohnsituation. Und ich spreche hier nicht darüber, dass ich im dritten Stock ohne Aufzug wohne. Das versuche ich immer mit der netten Aussicht wegzureden.
Als ich vor ungefähr anderthalb Jahren eingezogen bin, habe ich mich vor allem gefreut. Über die oben genannten äußeren Umstände, aber auch über die drei netten Nachbarinnen meines Alters, die gerade in die drei anderen frisch sanierten Wohnungen eingezogen waren. Die übrigen Wohneinheiten des Hauses standen zu diesem Zeitpunkt noch vor der Sanierung, im Laufe der Zeit würde sich das Haus also leeren.
Eines Abends, ich war grade am Facetimen mit meinen beiden großen Brüdern, klingelte es an meiner Tür. Davor stand ein anscheinend betrunkener Mann, der, auch als ich ihm laut mitteilte, dass ich die Tür nicht öffnen werde, erstmal nicht aufhörte zu klingeln. Nach ein paar Minuten hörte ich ihn dann in die Wohnung nebenan gehen. Einen Moment Stille. Dann klopfte es an meiner Wand.
Am nächsten Tag habe ich erfahren, dass oben geschilderter Nachbar erstens gar nicht mehr in der Wohnung wohnen dürfte und zweitens eigentlich kein Wasser haben konnte, weil Handwerker das auf der Seite des Hauses für Sanierungsarbeiten schon abgedreht hatten.
Zwei Tage später rumpelte es den ganzen Abend in der Wohnung neben mir. Am nächsten Morgen war der Nachbar dann ausgezogen. Die Wohnungstür stand offen und die Fußmatte war weg. Das unangenehme Gefühl nicht wirklich.
Auch weil der Großteil meiner Nachbarn inzwischen ausgezogen war und leere Räume hinter offenstehenden Wohnungstüren zurückgelassen hat. Dann kamen irgendwann die Handwerker, um die Wohnungen zu sanieren. Mit den Handwerkern kamen Lärm und eine ständig offenstehende Haustür. Unangenehm, wenn man bedenkt, dass wirklich jeder durch die Tür kommen und sich in einer der offenen Wohnungen ein neues Zuhause machen könnte.
Wenn ich jetzt abends nach Hause komme, ist das gesamte Haus bis auf ein oder zwei Fenster dunkel. Das ist vor allem dann gruselig, wenn man sich bewusst macht, dass außer mir nur noch drei weitere junge Frauen, eine alte Frau und eine Familie in diesem Haus wohnen.
Altbausanierung – einerseits entstehen moderne, schicke Wohneinheiten, andererseits verschwinden lautlos soziale Gefüge, in denen einzelne schwierige Zeitgenossen weniger bedrohlich sind.
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