Vom Alleinleben
Kolumnistin Johanna wohnt in einer eigenen Wohnung. Sie erzählt vom misslungenen WG-Leben und wie sie ihren Komfort im Alleinsein gefunden hat.
Der Auszug aus dem Elternhaus ist für Viele ein großer Schritt ins Erwachsenendasein. Zum ersten Mal soll man nun selbst kochen, putzen und waschen, auch wenn man noch immer regelmäßig Mama am Telefon nach der richtigen Menge Waschpulver fragt. Der Vorteil dabei in eine Wohngemeinschaft zu ziehen: Man muss nicht alles plötzlich allein schaffen. Der Gedanke, mit netten Leuten und Freunden eine Wohnung zu teilen, kann einerseits erschreckend und gleichzeitig erleichternd sein.
Als ich zu einer langjährigen Freundin in eine Drei-Personen-WG zog, dachte ich nur an die schönen Erlebnisse, die nun kommen würden: an gemeinsame Koch- und Kinoabende, Partys und daran, gemeinsam bei einem Film einzuschlafen. Die erste Zeit genoss ich es sehr und konnte gar nicht fassen, dass ich nun ein neues Level der Selbstständigkeit erreicht hatte. Doch die Illusionen von großen Feiern und Leichtigkeit verflogen sehr schnell. An das Leben mit den Macken anderer und meinen eigenen hatte ich nicht bedacht. Vor allem nicht, dass dies zu großartigen Streitigkeiten führen kann. Ich fragte mich immer mehr, warum ich das WG-Leben am meisten mochte, wenn niemand da war. In den Prüfungsphasen begann ich, früh zu gehen und spät zu kommen, falls ich überhaupt in der Wohnung auftauchte. Einerseits brauchte ich Zeit für mich selbst, andererseits wollte ich Diskussionen aus dem Weg gehen, die ich im Prüfungsstress erstmal nicht gebrauchen konnte. Zu Corona-Zeiten floh ich gänzlich aus der Wohnung, was die Probleme allerdings nur noch verstärkte. Immerhin ist der Zweck einer WG ein schönes Zusammenleben mit Freunden und nicht nur der, an der Miete zu sparen.
Während der Lockdown-Phasen dachte ich viel darüber nach und entschied, ich sei nun leider kein WG-Mensch – zumindest nicht für diese WG. Noch im selben Sommer zog ich eine eigene Wohnung, kaum groß genug, um all meine Sachen unterzubringen. Eine Eingewöhnung brauchte ich nicht. Ich merkte sofort, dass es so richtig für mich war. Zum ersten Mal seit langem fühlte ich mich wieder heimisch und geborgen.
Auch wenn mein WG-Versuch scheiterte und sich herausstellte, dass mir das Alleinleben besser gefällt, heißt es doch nicht, dass es eine schlechte Eigenschaft ist, allein sein zu wollen. Einige meiner Freunde lieben das WG-Leben und es funktioniert einwandfrei. Anderen wiederum ergeht es so wie mir. Man ist nicht gleich sozial untauglich oder ungesellig, wenn man mit einer Wohngemeinschaft nicht so gut zurechtkommt. Ich genieße es, meine Freunde und die Familie jederzeit zu sehen, doch ebenso freue ich mich, wenn ich weiß, ich komme nach Hause und habe einen Abend für mich ganz allein.
Letztendlich war es gut, diese Erfahrung gemacht zu haben, sonst hätte ich das nicht über mich herausgefunden. Es ist wichtig, verschiedene Dinge auszuprobieren, sich aber dennoch einzugestehen, wenn etwas nicht so funktioniert oder harmoniert wie Anfangs vorgestellt. Das ist eben auch ein Teil des Erwachsenwerdens.
Titelbild: Pixabay
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