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  • Battlefield: Kapitalmarkt

    Die Einen zocken auf der Playstation, die Anderen mit dem Untergang von Unternehmen. Nun hat sich rund um einen der Lieblingsläden von Kolumnist Dennis eine Börsenschlacht entwickelt.

    Wenn ich eine Pause von der Bib brauchte, ging ich vor Corona gerne mal entspannt in den örtlichen Gamestop und schaute, was es so an gebrauchten Games gab – meistens fand sich das ein oder andere Juwel. Doch der Handelskette geht es schon länger eher so semi-gut. Rote Zahlen, ein nicht mehr in die Zeit passendes Geschäftsmodell, und eine gesamte Spielesammlung für gefühlt drei Mark abzugeben, ist für viele Gamer auch nicht gerade ökonomisch erstrebenswert.

    Aufgrund eben dieser Misere ist der Aktienkurs niedrig und betrug bis vor einer Woche noch etwa drei Dollar. Stand am Wochenende waren es dann ungefähr 250 Dollar, mit einem zwischenzeitlichen Abstecher in Richtung 300 Dollar. Gamestop war plötzlich Mittelpunkt eines internationalen Wirtschaftskrimis.

    Kolumnist Dennis schaut durch ein Fernglas in die Ferne

    Kolumnist Dennis ist immer auf der Suche nach neuen Gelegenheiten zum Zocken. Foto: Archiv

    Aber was ist passiert? Hedgefonds haben aus eben genannten Gründen auf einen weiteren Fall der Aktie gewettet und mit Leerverkäufen diese Entwicklung begünstigt. Dabei leihen sich die Leerverkäufer von anderen Investoren gegen Gebühr Aktien, die sie dann an Dritte zu einem bestimmten Datum verkaufen, in der Erwartung, dass diese bis dahin noch günstiger werden und sie somit Gewinn rauszerren. Nichts Ungewöhnliches am Kapitalmarkt.

    Doch es war nicht irgendeine Aktie. Gamestop, wenn auch nicht mehr auf der Höhe der Zeit, ist fester Bestandteil der Gaming-Kultur. Entsprechend gab es Leute, die das nicht hinnehmen wollten, und solche, die den schnellen Gewinn witterten. Beide vereinigten sich auf Reddit unter dem Blog „r/wallstreetbets“ und kauften wie blöde Gamestop-Aktien. Ein Schwarm von Hobbytradern, die sich selbst als Autisten bezeichnen war erschaffen, der es mit den Big Playern am Finanzmarkt aufnahm. Immer mehr Trader wurden darauf aufmerksam, Promis wie Elon Musk befeuerten den Hype und der Kurs katapultierte sich um 5000(!) Prozent nach oben. Den Hedgefonds war ordentlich in die Suppe gespuckt, denn die mussten nun die Aktien für einen vielfachen Preis schnell kaufen, um die vertragliche Pflicht gegenüber Dritten erbringen zu können. Einer musste sogar mit 2,7 Milliarden Dollar von einem anderen Hedgefond gerettet werden. Soweit, so legendär.

    Doch einigen Brokern, also Plattformen, über die man Aktien kaufen und verkaufen kann, wurde es zu bunt und sie setzten prompt den Handel aus. Oder er war wegen „technischen Störungen“ nicht mehr möglich Aktien zu kaufen. Ein Shitstorm formierte sich, einige sprachen von Marktmanipulation. Auch Leute aus meinem Umfeld waren über diesen Eingriff entrüstet. Ermittlungen laufen.

    Eigentlich hätte die Situation der Markt wunderbar selbst geregelt – der Kurs wäre weiter gestiegen und die Fonds wären irgendwann in Zahlungsnot geraten. Doch die Big Player fühlten sich vom Pöbel in ihrem Finanz-Elfenbeinturm gestört und waren plötzlich für einen regulierten Markt. Es kann ja nicht angehen, dass sich ein paar Gamer mit den gleichen Spekulationsgebahren zum Gegenschlag formieren. Es scheint, als könnten Hedgefonds den Markt beliebig beeinflussen, aber für Hobbyanleger gelten eben andere Regeln.

    Die Schlacht hingegen ist noch nicht vorbei. Einige Fonds haben viel Geld verloren und richtig miese Laune. Hätte ich auch, wenn ich als Level 99 Pro von einer Horde Level zwei Noobs abgezogen worden wäre. Zudem kann das Finanzsystem hier ernsthaften Schaden erleiden, denn wenn die Hedgefonds ihre Verluste nicht mehr decken können, werden einige Finanzblasen platzen und Spekulanten finanziell hops gehen. Und es ist eigentlich auch erstaunlich, dass ein paar Reddit-User das Finanzsystem so zerlegen können wie Thors Hammer ein Kartenhaus.

    Was ich daraus lernen kann: Mich endlich mal mit Aktienhandel beschäftigen, so wie sehr viele junge Leute derzeit. Wie viel von euch haben Ahnung von der Thematik? Lernt man ja nicht in unserem archaischen Schulsystem, das uns lediglich dazu befähigt, als Zahnrad in einem System zu funktionieren. Und ich werde gleich nach dem Lockdown einen Gamestop besuchen, mit der dezenten Finanzspritze sollte da genug Innovationspotenzial für die Zukunft vorhanden sein.

    Titelfoto: Wikimedia Commons / BentleyMall

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