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  • Von Äpfeln und Birnen

    Im Thema-Ressort ging es im Januar darum, was Wissen eigentlich ist. Was haben Künstliche Intelligenz, Machine Learning und Big Data damit zu tun?

    Im Oktober 2004 begann Google mit einem ehr­geizigen Projekt: Google Books. 17 Jahre später ist der wissenshungrige Konzern im Besitz von Scans von über 40 Millionen Büchern in mehr als 400 Sprachen. Wenn die Rede von solchen beispiellosen Projekten der Wissensan­samm­lung ist, sind die Schlag­worte künstliche Intelligenz (KI) und Big Data meist nicht weit.

    „Künstliche Intelligenz ist ein Sammelbegriff, in den vor allem maschinelles Lernen hinein­spielt“, erklärt Eric Peukert, wis­sen­­schaftlicher Mitar­beiter am Insti­­tut für Informatik der Univer­sität Leipzig und stellver­tre­tender Geschäftsführer des Kom­petenz­zentrums für Künst­liche Intelli­genz und Big Data (Scads.AI). „KI setzt voraus, dass das System auf die Umgebung und den Kontext reagiert und zum Beispiel selbst entscheidet, wieder neue Daten zu sammeln“, sagt Peukert. Davon könne nur selten die Rede sein, die meisten Systeme nutzen das maschinelle Lernen. Das Scads.AI ist als Koopera­tion zwi­schen den Uni­versitäten Leipzig und Dres­den sowie mehreren weiteren Insti­tutionen ein deutsch­­er Dreh- und Angel­punkt für die Grund­lagen­forsch­ung an den beiden Themen.

    Beim maschinellen Lernen er­langt das System Wissen durch das Verarbeiten großer Daten­mengen. Um ihm ein sogenann­tes Modell, zum Beispiel das Unter­scheiden von Äpfeln und Birnen, beizubringen, stellt man ihm tausende mit „Apfel“ oder „Birne“ beschriftete Bilder zur Ver­fügung. „Ein maschineller Lernalgorithmus kann jetzt Ei­gen­schaften wie Kanten aus den Bildern extra­hieren und lernt dann über die Häufigkeit dieser Eigen­schaften, was einen Apfel oder eine Birne ausmacht“, er­läutert Peukert.

    Um herauszufinden, ob das Mo­dell nun weiß, was Birnen und Äpfel sind, testen die Wis­sen­schaftler*innen das Mo­dell an einem weiteren Datenset. „Das Modell hat dann etwas gelernt, wenn es Bilder dieses Datensets besser klassifiziert als der Zufall“, sagt Peukert. Dabei hängt das Ergebnis stark von den Daten ab, die ins Modell hineinfließen. Sogenannte Data Scien­tists kuratieren diese Daten und bestimmt somit das Wissen, wel­ches das System aus den Daten ableiten kann. Dabei sind KI-basierte Systeme schon in der Vergangenheit auf­fällig gewor­den. So hat sich zum Beispiel KI, die für US-Ge­richte die Rückfall­wahrschein­lichkeit von Straf­täter­*innen beurteilen soll, als rassistisch erwiesen.

    „Machine-Learning-Modelle ver­knüpfen Häufigkeit schnell mit Wahrheit“, erklärt Peukert. Dass es laut der Gerichts-KI für Schwarze wahrscheinlicher ist, rückfällig zu werden, liegt an den historischen Daten, mit denen die KI trainiert wurde und in denen Schwarze statistisch häu­figer wieder kriminell wur­den. „Wenn Sie die zugrunde liegen­den Daten nicht kennen, dann ist es schwierig, der KI zu vertrau­en“, sagt Peukert. „Des­halb muss es für manche KI-Systeme Kon­trollinstanzen geben, welche die Eingangs­daten überprüfen.“ Auch müs­sen Lai*innen verstehen kön­nen, wie eine KI Ent­schei­dungen trifft. „Es gibt Modelle, bei welchen man die Entschei­dungsfindung mit ei­nem Baum visualisieren kann, aber auch an­dere Verfah­ren, die eher einer Blackbox ähneln. Und daran forschen wir gerade vermehrt.“

    Titelfoto: Pexels

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