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  • Unsichtbar und geduldet, sichtbar und gehasst

    Frauen machen Politik. Und dennoch wird das selten anerkannt und oft übersehen. Und wenn doch, lassen Sexismus und Misogynie nicht lange auf sich warten. Ein Kommentar.

    Ja, amen! Wir haben in Deutschland seit 2005 an der politischen Spitze eine Frau. Und es geht noch weiter: Paritätsgesetze werden durchgesetzt, teils wieder gekippt. In jedem Falle aber heiß diskutiert. Genauso hitzig wird über die Frauenquote oder die sprachlich gerechte Einbeziehung aller Geschlechter gestritten. Jüngst dazu hat Margarete Stokowski zum gefühlt 159. Mal einen Erklärungsversuch gestartet, diejenigen zu überzeugen, die entweder zu müde, ignorant, rückwärtsgewandt oder einfach nur bockig sind. Den Jan Fleischhauers und Dieter Nuhrs unter euch machen solche Debatten anscheinend ziemlich Angst. Offenbaren sich innerhalb dieser Schaustücke allzu oft fragile männliche Egos: Zu schnell wird mit selbstgefälligem Spott oder sturem Abwehrverhalten reagiert. Anstatt einfach mal zuzuhören. Aber klar, Feminist*innen könnten ja Recht haben und dann könnte es unbequem für Männer werden; am Ende müssten sie noch einen Teil ihrer Macht oder auch nur ein Quäntchen ihrer Redezeit abgeben. Wie unfair!

    Wie oft hört man, wenn es um Frauen in der Politik geht: Wir haben seit 16 Jahren eine Kanzlerin! Was wollt ihr denn noch?

    Das grundlegende Problem an solchen Reaktionen: Einzelne bekannte und einflussreiche Frauen in der Politik dürfen nicht wie Schlagwörter in den Raum geworfen werden, um zu rechtfertigen, dass es jetzt mit den Frauen auch mal reicht. Warum? Weil damit tatsächliche Fakten verwischt und gefühlte Wahrheiten als Realität verkauft werden. Natürlich gibt es Angela Merkel, Annalena Baerbock, Katja Maurer, Saskia Esken. Aber das bloße Aufzählen einzelner einflussreicher Frauen sagt weder etwas über die echte Verteilung in deutschen Parlamenten noch über deren Politik und ihren tatsächlichen Einfluss aus. Dieses Aufzählen soll die eigentliche Forderung nach gleichberechtigter Repräsentation verwässern – darüber hinaus können sicherlich die Wenigsten auch nur drei Politikerinnen auf Kommunalebene aufsagen.

    Der Instagram Account FrauenMachtPolitik möchte auf die traurigen Zahlen aufmerksam und Frauen in deutschen Parlamenten, besonders in der Kommunalpolitik, sichtbarer machen. Ein Blick auf die Statistik schreit förmlich nach politischem Aufholbedarf:  auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene bewegt sich der Frauenanteil in den Parlamenten um den Wert von 30 Prozent. Es gibt mehr Bürgermeister, die den Vornamen Thomas tragen als Bürgermeisterinnen (siehe Katapult Magazin).

    Wir dürfen einerseits nicht vergessen, dass gleichberechtigte politische Repräsentation auf allen Ebenen durchgesetzt werden muss und andererseits, dass Repräsentation jedoch nicht automatisch zu gerechterer Politik führt. Auch Politik von Frauen kann schlecht sein. Nur hatte die Frau zum Beispiel durch die Einführung von Quoten immerhin dieselbe Chance, die potenziell gleich schlechte Arbeit zu machen wie ihr männliches Pendant. Das ist nur fair.

    Das heißt aber noch lange nicht, dass wir auf gleichberechtigte politische Repräsentation verzichten können. Politisch repräsentiert fühlen müssen sich eigentlich alle, besonders die, die – vollends intersektional verstanden – innerhalb verschiedener Diskriminierungskategorien soziale Ungleichheit erfahren: Menschen aller Geschlechterkategorien, behinderte Menschen, Schwarze und People of Color, Menschen mit Fluchterfahrung, einkommensschwache Menschen und so weiter – die Liste ist lang. Neben den vielen weißen Männern wollen auch diese Menschen Stimmen sein, die aktiv in der Politik mitverhandelt werden. Erst dann wird nicht nur Politik von Männern für Männer gemacht. Wir brauchen Gegengewichte zu den klassisch männlichen Perspektiven. Durch vielfältige Repräsentation können auch anders gelebte Wahrheiten aufgezeigt und politisch ausgehandelt werden. Dabei geht es auch um Deutungshoheit und Machtverteilung. Deswegen brauchen wir Repräsentation. Deswegen brauchen wir Sichtbarmachung.

    Was bei dieser Sichtbarmachung aber auffallend perfide ist, ist dass besonders mit politisch aktiven Frauen medial und gesellschaftlich ziemlich schonungslos umgegangen wird. Auf einen misogynen Kommentar folgt die nächste sexistische Hetze im gefühlten Minutentakt. Annalena Baerbock musste sich sagen lassen, dass ihr das Kanzleramt zum Putzen anvertraut werden würde, Linda Teuteberg wurde von Christian Lindner auf dem FDP-Parteitag letztes Jahr durch einen, nett gesagt, Altherrenwitz – die Existenz dieser Wortes sagt eigentlich schon alles – bloßgestellt, Sawsan Cheblis politische Qualitäten wurden von Roland Tichy an ihrem G-Punkt gemessen. Diese Spielchen müsste man einmal umdrehen – was wäre der Aufschrei groß! Übrigens ist selbst die dauerhafte Bezeichnung von Angela Merkel als „Mutti“ der reinste Sexismus. Sie hat sowohl einen Doktortitel als auch einen Nachnamen, beide können genutzt werden. Doch lieber wird sie mit der Betitelung „Mutti“ auf die einzige Machtposition, die man einer Frau zuzugestehen scheint, reduziert – das vermeintlich Weibliche per se, die Mutter. Kein deutscher Kanzler wurde jemals als „Papi“ bezeichnet. Kein Kanzler wurde jemals so dermaßen auf seine vermeintliche Geschlechterrolle reduziert. Merkel hat nicht mal eigene Kinder. Das ist an Zynismus kaum zu übertrumpfen.

    Verweilen Frauen im Unsichtbaren, werden sie geduldet. Doch machen sie sich sichtbar, sind laut, tatkräftig, hartnäckig und streben Veränderung an, folgt ein Shitstorm auf den anderen. Laute Frauen sind anstrengend. Laute Frauen werden oft gehasst, denn laute Frauen sind unbequem.

    Titelfoto: Pexels

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