Die (Un-)Möglichkeit vom feministischen Feiern
2020 erschütterte ein Bericht über auf Porno-Seiten verkaufte Bilder eines Festivals die linke Szene. Die Leipziger Demonstration „My Body: Still not your Porn!“ versuchte, Betroffene zu ermutigen.
Im Januar 2020 wurde eine vom Norddeutschen Rundfunk produzierte Dokumentation auf dem YouTube-Kanal „StrgF“ veröffentlicht. Es geht um das Festival „Monis Rache“, auf dem zwischen 2016 und 2018 ungefragt Filmaufnahmen von Besucher*innen der Toiletten angefertigt, auf Porno-Seiten hochgeladen und verkauft wurden. Der Verdächtige, der die Taten in der Dokumentation teilweise zugab, lebte in einem Leipziger Hausprojekt und war in der linken Szene aktiv. Im Dezember 2020 stellte die Staatsanwaltschaft laut der Wochenzeitschrift Jungle World das Verfahren ein, da er nicht mehr aufzufinden ist.
Das Motto der Demonstration „My Body: Still not your Porn!“ zeigt, dass die Veranstaltung im Lene-Voigt-Park die Geschehnisse auf dem Festival „Monis Rache“ aufarbeiten und Betroffenen einen Raum bieten will, um Kraft zu schöpfen. Die Organisator*innen der Demonstration sind ebenfalls von den Festival-Aufnahmen betroffen. Sie wollten mit der Demonstration einen Ort von Betroffenen für Betroffene schaffen, aber auch für alle anderen, die sich als Teil der linken Feier-Szene Leipzigs verstehen, um zu erforschen, wie feministisches Feiern funktionieren könnte.
In einem ersten Redebetrag thematisierte die Autorin Lea Schröder, wie viele Vorfälle sexualisierter Gewalt ihrer Recherche nach in der Club-Szene stattfinden. Außerdem berichtete sie von einer häufig stattfindenden Täter-Opfer-Umkehr, was es nicht nur den Betroffenen schwer mache, mit ihrem Erlebten umzugehen, sondern auch eine Verbesserung der Umstände verhindere.
Ob Sensibilisierungs-Konzepte eine Lösung sein können, ergründeten die Initiative Awareness und der Antisexistische Support Leipzig (ASL) in ihren Redebeiträgen. Die Initiative Awareness definierte, was Awareness und Sensibilisierung eigentlich leisten sollten: Es gehe um bedürfnisorientiertes Handeln und die Prävention von Übergriffen. Wichtig sei, dass die Ausarbeitung von Awareness-Konzepten nicht extern, sondern in den internen Strukturen von Veranstaltungsorganisationen stattfinde. Der ASL erwähnte lobend, dass in den letzten Jahren in Leipzig mehrere Initiativen von cis-Männern entstanden seien. Er kritisierte aber, dass diese Initiativen nur in Reaktion gegründet wurden, wenn betroffene Personen – so wie auf dieser Demonstration – ihre Wut äußerten, aber die tagtägliche Beschäftigung mit dem Thema noch nicht selbstverständlich sei.
Die Organisator*innen stellten eine Reihe von konkreten Forderungen für ein feministisches Feiern vor: Um Unterstützung im akuten Notfall zugänglicher zu machen, müsse mehr nicht-männliches Personal eingestellt werden, Antisexismus müsse auch antirassistisch sein, und Reflektion und Vorbereitung müssten schon vor dem „Partyrausch“ anfangen, damit sensibilisierte Verhaltensmuster internalisiert würden.
Anschließend schafften die Organisator*innen auf der Bühne Raum für spontane Erlebnis- und Redebeiträge. Mehrere Betroffene der Aufnahmen des Festivals schilderten, wie die Recherche ihr Leben in vielerlei Hinsicht aus der Bahn warf. Vertrauensverlust, Depressionen und Schwierigkeiten, das Geschehen zu verarbeiten, nehme Kraft und Energie für andere Projekte.
Auch Erfahrungen und Gedanken außerhalb der Vorfälle um das Festival wurden geteilt. Besonders lang fiel der bekräftigende Applaus aus, als eine Person berichtete, dass es nach einem Überfall sexualisierter Gewalt mehrere Jahre gedauert habe, zu begreifen, dass die Schuld nicht bei ihr liege und sie sich nun entschlossen habe, Anzeige zu erstatten. Eine andere Person fand für Mitbetroffene ermutigende Worte, deren Kraft im lauten Applaus der Teilnehmenden widerhallt: „Es ist nicht meine Scham, sondern es ist die Scham der Täter und ich nehme sie ihnen nicht mehr ab.“
Die Organisator*innen der Demonstration zogen am Ende ein zufriedenes Fazit. „Es war ein großer Erfolg, und wir sind vor allem froh, dass so viele die Möglichkeit genutzt haben, sich spontan zu äußern, denn dieser Teil der Veranstaltung war uns sehr wichtig.“
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