Ich vermisse den Zoo
Kolumnistin Malina findet, dass man sich auch bei steigenden Infektionszahlen auf Lockerungen vorfreuen kann. In ihrem Fall, dass endlich der Leipziger Zoo öffnet.
Öffnungsdiskussionen in Corona-Zeiten sind eine unangenehme Sache. Insbesondere, wenn man sich die Öffnungen nicht wünscht, um der Wirtschaft zu helfen oder Kindern eine gute Bildung zu ermöglichen, sondern einfach, weil man sich davon selbst mehr Freude erhofft. Das geht, zumindest bei mir, mit dem Gefühl einher, viel zu egoistisch zu sein. Mein liebster Zeitpunkt ist deshalb der, an dem die Diskussionen abgeschlossen sind, die neue Schutzverordnung veröffentlicht ist und man mit dem angenehmen Teil beginnen kann, einem ganz und gar unschuldigen Gefühl: der Vorfreude. In meinem Fall die Vorfreude auf die Öffnung des Leipziger Zoos.
Glücklicherweise musste man auch in den vergangenen Monaten nicht völlig auf den Zoo verzichten. Youtube sei Dank konnte man zumindest aus der Ferne dabei sein, als die Schneeleoparden letzten Monat in den Leipziger Schneemassen gebadet haben. Und auch ein Blick über die Zoomauern, wo sich ab und zu ein Elefantenrücken abzeichnet, war besser als nichts. Wann genau es wieder richtig losgeht, ist noch nicht sicher. Der Plan war zunächst am kommenden Montag zu öffnen, doch wegen der steigenden Infektionszahlen in Sachsen wird zunächst noch abgewartet. Aber irgendwann wird es so weit sein.
Wie es wohl ist, nach Monaten im immer gleichen Zimmer, endlich aus der Studierendenblase herauszukommen? Wenn man durch das große Eingangstor geht und feststellt: Es gibt Menschen, die sind noch jünger als Erstis und Professoren sind nicht die einzigen Leute über 40. Zoobesucher diskutieren, ob man wirklich einen Euro dafür verwenden sollte, durch das Fernrohr am Giraffengehege zu schauen. Oder sie versuchen, das soziale Gefüge der Fische nachzuvollziehen: Ob der Fisch jetzt wegschwimmt, weil er Angst hat oder weil er Fangen spielt. Themen, die BigBlueButton-Konferenzen bisher völlig außer Acht gelassen haben.
Spätestens wenn man die riesige Tropenhalle „Gondwanaland“ betritt und überall um einen herum die Vögel zwitschern, fühlt man sich ganz weit weg. Weit weg von der Frustration über Internetprobleme. Weit weg von Word und Moodle. Weit weg von Leipzig. Man kann sich auf einen der pastellfarbenen Metallstühle am Wasserfall setzen und entscheiden, welcher der Vögel am schönsten ist. Oder, falls dafür keine Zeit ist, auch durchaus ein bisschen für die Uni lernen. Und nach jeder Vokabel, die man wusste, lächelt man einen Affen an.
Nach all dem prüfbaren Wissen tut es dann auch gut mal wieder Dinge zu lernen, die nie jemand abfragen wird. Dass ein Okapi kein Pferd ist, sondern zur Familie der Giraffenartigen gehört, zum Beispiel. Eine Information, die man einfach zur Kenntnis nehmen kann, ohne sicherstellen zu müssen, dass sie es auch bis ins Langzeitgedächtnis schafft. Es ist ein Ort zum Genießen.
Mein Lieblingsort Leipziger Zoo hatte es in den vergangenen Monaten wahrlich nicht leicht. Man kann schließlich nicht einfach alle Tierpfleger in Kurzarbeit schicken, nur weil keine Besucher mehr kommen. Glücklicherweise kümmert sich die Stadt um ihre Touristenattraktion und hat in ihrem Hilfspaket 8,5 Millionen Euro für den Zoo vorgesehen, womit sich die Verluste von 2020 ausgleichen lassen. Den Zoo wird es also auch weiterhin geben. Bis sie mich wieder hineinlassen, freue ich mich vor. Und mit ein bisschen Glück stehe ich in einem Jahr am Zaun, wenn die Schneeleoparden in ihrem verschneiten Gehege spielen.
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