Sprachkurse in finanzieller Notlage
Der Freistaat Sachsen hat dem Integrationsprojekt „Willkommen in Leipzig“ 2021 keine weitere Förderung bewilligt. Besonders die kostenlosen Deutschangebote sind nun dringend auf Spenden angewiesen.
„Ich bin wirklich froh, dass wir im Lockdown sind“, sagt Nora Hartenstein, „Zusammen mit dem Tagesgeschäft würde ich das alles gar nicht schaffen.“ Die Koordinatorin von Willkommen in Leipzig meint damit die anhaltenden Anstrengungen, die mit dem Kampf um die Existenz des Integrationsprojekts verbunden sind. Bisher ist das Angebot durch die Sächsische Aufbaubank (SAB) finanziert worden. Die habe den Antrag für 2021 aber unbegründet nicht bewilligt. Auf Nachfrage von luhze ist der SAB das Projekt „nicht bekannt“.
„Der Antrag wurde für Willkommen in Leipzig insgesamt gestellt“, sagt Hartenstein. Das beinhalte neben den kostenlosen Deutschangeboten etwa Kochaktionen, Willkommenstouren und ein Stadtteilprojekt in Grünau. Letzteres sei nun gestrichen worden. „Primär für die Sprach- und Begegnungsangebote haben wir einen zweiten kleinen Antrag an die SAB gestellt.“ Dieser habe eine Laufzeit von Mai bis Dezember.
Doch auch für diesen Antrag sind die Aussichten nicht prickelnd: Das Budget für ganz Sachsen beträgt laut der Koordinatorin 500.000 Euro. Allein aus Leipzig seien aber Anträge in Höhe von über 400.000 Euro gestellt worden. Trotz der positiven Einschätzung des Projekts durch das Referat für Migration und Integration werde das vermutlich nicht reichen. „Wir müssen eine Mischung aus anderen Finanzierungsmöglichkeiten finden“, sagt Hartenstein.
Finanzierungslücke ab April
Ab Ende März – bis dahin kann das Soziokulturelle Zentrum Die Villa als Trägerin der Initiative das Projekt aus Eigenmitteln und Spendengeldern überbrücken – ist daher weitere Unterstützung notwendig. Auch die Stadt habe sich mit Kosten für einen Monat beteiligt, erzählt Hartenstein. „Wir haben uns eigentlich erhofft, dass sie sich mehr einbringt.“ Anträge bei Stiftungen seien ähnlich ernüchternd ausgefallen. Neben der langen Bearbeitungszeit gebe es sehr genaue Kriterien, die oft nicht passen.
Nora Hartenstein koordiniert Willkommen in Leipzig seit Januar 2016. Dass die Stelle seitdem konsequent besetzt ist, hält sie für vorteilhaft. „Dadurch konnten die vorhandenen Prozesse und ein Netzwerk erst aufgebaut und entwickelt werden“, sagt sie, „Potenzielle Spender wollen ja auch, dass etwas läuft.“ Das sei der Fall: Laut eigenem Portfolio wurden die kostenlosen Sprachangebote trotz Pandemie-bedingter Einschränkungen 2020 insgesamt 6700-mal genutzt. Die Anzahl der Teilnehmenden sei um 17 Prozent gestiegen, die der Ehrenamtlichen um 20 Prozent.
Ehrenamtliche arbeiten an neuen Ideen
Einige dieser Freiwilligen haben sich in einem Treffen Ende Februar weitere Gedanken über die Zukunftsperspektiven des Integrationsprojekts gemacht. Dabei wurden neue Ideen wie Benefizkonzerte mit Teilnehmenden, Aushänge in Geschäften, weitere Presseauftritte, Social-Media-Challenges und Kontakte zu größeren Unternehmen mit Sitz in Leipzig ausgelotet.
„Porsche haben wir schon angefragt“, erklärte Hartenstein den Ehrenamtlichen beim Treffen. Sie hob auch die von der Freiwilligen Carola Mohn initiierte Charity-Coffee-Aktion hervor. In diesem Rahmen verkauft die Leipziger Uptown Coffee Bar Kaffee, dessen Verkaufspreis zu 20 Prozent an Willkommen in Leipzig gespendet wird. Zudem gebe es die Social-Media-Reihe „Ein Blick hinter die Kulissen“, die das Projekt der Öffentlichkeit näherbringen soll. „Wir sind ein großes und starkes Netzwerk“, richtete Hartenstein sich weiter an die Ehrenamtlichen. Gleichzeitig appellierte sie an alle, wiederum auch die eigenen Kontakte und deren Netzwerke zu nutzen.
Auch andere Integrationsprojekte in Leipzig gefährdet
Mit seinen Finanzierungsproblemen ist Willkommen in Leipzig laut der Koordinatorin nicht allein. Integrationsprojekte wie Mühlstraße 14 oder Dresdner 59 hätten derzeit ebenso Probleme. „Deswegen bereitet das Leipziger Ehrenamtskoordinatoren-Netzwerk einen offenen Brief an die Landesregierung vor“, sagt sie. Auf diese Weise solle versucht werden, eine Veränderung in der Förderungspolitik zu erreichen.
„Wir hangeln uns jetzt von Monat zu Monat“, sagt Nora Hartenstein. Das sei sehr anstrengend und koste Energie, die anderweitig benötigt werde. Sie ruft alle zu einer Spende für das Projekt auf. Das sei etwa über die Webseite von Willkommen in Leipzig, aber auch über die Spendenplattform Betterplace möglich. „Die Spenden, die wir jetzt sammeln, reichen gerade fürs Überleben der Sprachangebote, uns fehlt aber auch eine Langzeitperspektive.“
Titelfoto: Soziokulturelles Zentrum Die Villa
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