Mein Körper, meine Regeln, im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben
Das Thema Schwangerschaftsabbruch ist ein kontroverses Thema, besonders die Rechtslage sorgt immer wieder für Diskussion. Wie ist die Situation in Leipzig?
Ausschabung und Schwangerschaftsregelung. Diese Hinweise stehen auf den Websites von Leipziger Gynäkologie-Praxen und deuten darauf hin, dass Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden. Denn wer auf der Suche nach einer Praxis ist, die Schwangerschaftsabbrüche anbietet oder nach Informationen dazu, wird auf den Praxiswebsites nichts finden. Erst ein persönlicher Anruf bei einer Praxis verschafft Klarheit.
Die Informationen bezüglich Durchführung, gesetzlichen Vorgaben, Risiken oder Finanzierung des Schwangerschaftsabbruches findet man im Internet bei pro Familia und auf ärztlichen oder pharmazeutischen Fachblättern.
Juristisch geregelt ist die Thematik Schwangerschaftsabbruch in Deutschland durch den Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs, der seit diesem Jahr 150 Jahre alt ist. Dieser besagt, dass Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich gesetzeswidrig sind. Außerdem existiert in diesem Zusammenhang der Paragraf 219a Strafgesetzbuch „Werbung für den Schwangerschaftsabbruch“, der besonders in letzter Zeit wieder zum Zentrum der Diskussion geworden ist. Der Paragraf verbietet, dass Frauenärzt*innen auf ihren Websites über Schwangerschaftsabbrüche informieren. Denn laut Gesetz handelt es sich hierbei um Werbung.
Im Februar beschloss der Bundestag die Änderung dieses „Werbeparagrafen“. Frauenärzt*innen dürfen seitdem auf ihre Websites schreiben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Keine weiteren Informationen.
Aufgrund dieser Rechtsgrundlage wurden in den vergangenen Jahren immer wieder Frauenärzt*innen zu Geldstrafen verurteilt. Der Satz „Auch ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch gehört zu unseren Leistungen“ auf der Website einer Berliner Frauenärztin reichte aus, um nach aktueller Gesetzeslage verurteilt zu werden, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete.
Nicht nur die Unsicherheit bezüglich der Rechtslage hindert Ärzt*innen daran, Informationen auf ihren Websites hochzuladen. Bei Frauenärzt*innen besteht die Sorge, dass sich Schwangere, die auf der Suche nach Informationen sind, auf Frageforen Erfahrungsberichte durchlesen, die verunsichern oder fachlich unseriöse Informationen verbreiten. Tatsächlich existiert die Gefahr, dass Frauen auf der Suche nach Informationen auf Internetseiten wie „Babycaust“ stoßen. Das ist eine Seite, die Abtreibungen mit dem Holocaust vergleicht und Hetze gegen Ärzt*innen betreibt, die diese durchführen. Seiten wie dieser ist es erlaubt, jegliche Inhalte und auch mögliche Falschinformationen zu verbreiten.
Neben der Unsicherheit über die rechtliche Lage gibt es noch eine andere Sorge. „Man will ja nicht unbedingt, dass jemand was außen an die Wand sprüht“, sagt eine Leipziger Frauenärztin, die nach eigenen Angaben seit 20 Jahren Schwangerschaftsabbrüche durchführte. Für ihren eigenen Schutz und den ihrer Patient*innen möchte sie lieber anonym bleiben. „Natürlich ist man auch immer der Gegnerschaft von Schwangerschaftsabbrüchen ausgesetzt. Wenn man das auf der Praxisseite so schreibt, muss man immer damit rechnen, dass man auch Anfeindungen diesbezüglich erhält“, erzählt sie. Es sei eine stille Übereinkunft, dies nicht auf die eigene Webseite zu schreiben, um sich nicht angreifbar zu machen.
Die Stigmatisierung des Themas Abtreibung macht nicht vor den Praxistüren der Frauenärzt*innen halt. „Nicht alle Ärzte sind unvoreingenommen und so haben viele Frauen Angst vorverurteilt zu werden“, sagt die Leipziger Frauenärztin. Demgemäß seien die Frauen äußerst dankbar, wenn sie in Ihrer Praxis wertungsfrei behandelt werden.
Das Erlernen der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen ist nicht zwingend Teil der Facharztausbildung. Wer dies erlernen möchte, muss sich selbstständig darum kümmern.
Unter anderem deshalb gibt es die Fem*med, eine Hochschulgruppe von Leipziger Medizinstudierenden, die gegen Sexismus im Gesundheitssystem vorgehen. Das Ziel, das die Gruppe verfolgt, ist die „überfällige Integration des Themas Schwangerschaftsabbruch in ihren Lehrplan und die Enttabuisierung im gesellschaftlichen Kontext voranzutreiben“, wie die Fem*Meds auf der Seite des Studierendenrates der Medizin-Fakultät vorgestellt wird. Anfang letzten Jahres planten sie bereits einen „Papaya Workshop“, den sie nun aufgrund der Pandemie verschoben mussten. Ziel des Workshops ist es, Medizinstudierenden anhand von Papayas, die mit ihrer Form der Gebärmutter ähneln, die Methode des Schwangerschaftsabbruches als medizinischen Eingriff beizubringen.
Ein Mitglied Hochschulgruppe äußerte sich dazu folgendermaßen: An der medizinischen Fakultät in Leipzig herrsche ein zweigeteiltes Klima. Einige Professor*innen stünden dem Thema Schwangerschaftsabbruch offen ablehnend gegenüber und andere Hochschulgruppen verweigerten die Zusammenarbeit, da ihnen die Ansichten der Fem*Medis zu radikal seien. Ansichten, wie dass der Paragraf 219a abgeschafft gehöre, erklärt Selina von den Fem*Medis. Allgemein herrsche aber in Studierendenkreisen ein offenerer Umgang mit dem Thema. Es gebe viel Diskussion und die Dinge änderten sich dadurch zum Besseren, zum Beispiel die Enttabuisierung des Themas Schwangerschaftsabbruch und ein besseres Bewusstsein darüber. „Auf jeden Fall herrscht da Bewegung!“, sagt Selina.
Titelfoto: Pixabay
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