Gar nicht so verschieden
Ein Leipziger Forscher und zwei Ökonomen haben herausgefunden, dass Tiere und Menschen sich in ähnlichen Lebensräumen ähnlich verhalten. Das ist auch für die Entwicklungshilfe interessant.
Wo Menschen sich oft scheiden lassen, trennen sich auch viele Vogelpaare. Das ist nur eine von vielen ähnlichen Verhaltensweisen zwischen Menschen, anderen Säugetieren und Vögeln, die am selben Ort oder unter ähnlichen Bedingungen leben. Der Biologe Dieter Lukas vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie hat dazu zusammen mit den Ökonomen Toman Barsbai aus Bristol und Andreas Pondorfer aus Kiel eine Studie im Fachmagazin Science veröffentlicht. Neben ihren sozialen Verhaltensweisen ähneln sich Säugetiere, Vögel und Menschen auch darin, wie und wo sie nach Nahrung suchen und wie sie sich vermehren. Zum Beispiel lagern dort, wo Menschen sich Vorräte anlegen, auch viele Säugetiere und Vögel Nahrung für längere Zeit. Und wo Väter in menschlichen Gesellschaften bei der Versorgung des Nachwuchses helfen, kommt das auch unter Tieren häufig vor.
Das haben die Forscher herausgefunden, indem sie bereits existierende Datensätze sogenannter Binford-Populations mit Datensätzen der in derselben Region vorkommenden oder in ähnlichen Lebensräumen lebenden Tierarten verglichen. Binford-Populations sind Gruppen von Menschen vor allem in Nordamerika, aber auch auf allen anderen Kontinenten außer Europa und der Antarktis, die in kleinem Maßstab und ausschließlich selbstversorgend leben. Man könnte sie auch unter dem Begriffspaar „Jäger und Sammler“ zusammenfassen. „Jäger und Sammler sind wirklich auf ihre unmittelbare Umgebung angewiesen“, erklärt Lukas die Auswahl. Deswegen könne man bei ihnen besser feststellen, ob ihr Verhalten wirklich mit den lokalen Gegebenheiten zusammenhängt.
Was diese Verhaltensweisen auslöst, haben Lukas, Barsbai und Pondorfer nicht untersucht. Es gebe jedoch Vermutungen anhand anderer Studien, sagt Lukas. Die anfangs erwähnten Scheidungen bei Vögeln lassen sich zum Beispiel mit der hohen Sterberate in der Region erklären, deretwegen Vögel sich nicht sicher sein können, ob ihr Partner bis zur nächsten Paarungssaison überhaupt überlebt. „Ob es bei Menschen aus den gleichen Gründen so ist, wissen wir allerdings nicht“, gibt Lukas zu Es sei nur die Korrelation, nicht die Kausalität untersucht worden.
In der Studie fällt besonders auf, dass Menschen sich an die lokalen Bedingungen anpassen konnten, egal wo sie leben. Zwar haben die Forscher nicht untersucht, ob Tierarten, die an mehreren untersuchten Orten aufgetaucht sind, ebenfalls so flexibel sind wie Menschen, „anekdotisch scheint es aber so, als sei die Variation im Vergleich mit dem Menschen weit geringer“, sagt Lukas. Wölfe zum Beispiel tauchen ebenfalls in vielen verschiedenen Regionen auf, seien sich in ihrem Verhalten aber ähnlicher als die verschiedenen Gruppen von Menschen.
Eigentlich würde man vermuten, dass Tiere und Menschen in der gleichen Region eher unterschiedliche Verhaltensweisen an den Tag legen, um ökologische Nischen zu füllen. Das sei auch eine Annahme im Vorfeld ihrer Untersuchung gewesen, erzählt Lukas. „Aber wir haben uns sehr grobe Verhaltensweisen angeschaut. Das heißt nicht, dass sie sich alle genau gleich verhalten. Es geht eher um Grundbedingungen.“
Menschen und Tiere verhalten sich unter ähnlichen ökologischen Bedingungen also auf ähnliche Arten und Weisen. Soweit die Erkenntnis. Aber warum ist das wichtig?
In der Biologie gibt es eine seit Jahrzehnten andauernde Debatte, in der es darum geht, ob Menschen sich untereinander vor allem aufgrund ihrer Kultur oder aufgrund ihrer verschiedenen Lebensbedingungen unterscheiden. Lukas, Barsbai und Pondorfer liefern hier klar letzterer Position Argumente, wobei das Gelernte natürlich über kulturelle Praktiken weitergegeben wird. Außerdem zeigen sie, dass es für Menschen nicht die eine allgemeingültige Weise gibt, sich zu verhalten, sondern viele verschiedene, je nach Umgebung. Deswegen seien Barsbai und Pondorfer auch auf ihn mit der Idee zur Studie zugekommen, erzählt Lukas. Denn für die Wirtschaftswissenschaften ist diese Erkenntnis in Bezug auf die Forschung zur Entwicklungshilfe wichtig. „Verhaltensweisen lassen sich nicht umkehren, indem wir Geld reinpumpen“, sagt Lukas. Es gebe lokale Gründe, warum sich Menschen auf bestimmte Arten und Weisen verhalten, und diese seien eben immer noch von der Ökologie eingeschränkt.
Lukas zieht noch eine weitere wichtige Erkenntnis aus der Studie: „Menschen können sich sehr schnell optimal an ihre Umgebung anpassen.“ Besonders in Bezug auf Veränderungen und Bedrohungen durch den Klimawandel sei dies interessant.
Titelfoto: Pixabay
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