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  • „Ich möchte Frauen mit muslimischem, afrikanischem Hintergrund empowern“

    Im Interview haben wir mit zwei neuen Mitgliedern des Migrantenbeirats, Paweł Matusz und Neam Tarek, über Ungleichberechtigung und Herausforderungen für Migrant*innen in Leipzig ge­spro­chen.

    Im März wurde ein Teil des Leipziger Migrantenbeirats zum ersten Mal von der migran­ti­schen Bevölkerung ge­­wählt. luhze­-Autorin Nina Pogrebnaya hat mit zwei neuen Mitgliedern, Paweł Matusz und Neam Tarek, über Ungleichberechtigung und Herausforderungen für Migrant*innen in Leipzig ge­spro­chen. Dies ist das Interivew mit Neam Tarek. Das zweite Interview findet ihr hier.

    luhze: Was motiviert Sie für das Engagement im Migrantenbeirat?

    Neam Tarek: Zum einen ist es die Notwendigkeit, dass Frauen beziehungsweise Frauen mit arabi­sch­em, muslimischem Hin­­­ter­­grund repräsentiert wer­den, dass die Stereotype über arabische Frauen abgebaut wer­den. Da gibt es auch Frau­en, die liberal sind und auch zur muslimischen Gesellschaft ge­hö­ren. Innerhalb dieser Com­­mu­nity gibt es schon eine Interaktion und Integration in dem Sinne. Für diese Frauen hat das Wissen, dass jemand sie repräsentiert, eine große Be­deu­­tung. Mit meinem Beispiel möchte ich viele Frauen mit einem muslimischen, afrikani­schen Hintergrund empowern. Der zweite Punkt ist Kunst. Noch in Kairo, mit fünf Jahren, habe ich begonnen, professio­nell Harfe zu spielen. Musik, Harfe sind meine Identitäten. Kunst muss nicht immer mit der Politik verbunden sein, aber das ist ein Turning Point für mich, dass wir uns in der kom­munal- und sozial­poli­tisch­en Szene mithilfe von Kunst arrangieren und enga­gieren.

    Warum ist Kunst dafür wichtig?

    Alle Künstler*innen haben eine individuelle Wahrnehmung von der Kunst. Und für mich ist sie eine Ausdrucksform für viele Sachen, eine Interaktion zwi­schen ihnen. Ich denke, dass viele Kulturen sich zum Beispiel ohne Sprachbarriere durch Mu­sik treffen könnten, wenn man mithilfe von Musik mensch­liche Beziehungen bildet und so die Kommunikation gelingen lässt. Daraus ergibt sich gegenseitige Anerkennung der Existenz an­derer Menschen und Kulturen. Ich habe tau­send­mal gesagt, dass Mensch­lich­keit die erste Identität ist, die wir alle haben. Erst dann kommt die Herkunft. Und leider spricht man nicht so oft darüber, dass wir Menschen sind und Menschen brauchen.

    Wie haben Sie sich vor den Wahlen engagiert?

    2017 habe ich die Arabisch-deutsche Interkulturelle Brücke für globalen Frieden gegründet und in diesem Rahmen verschie­dene künstlerische Projekte durch­geführt, wie zum Beispiel einen Jugendchor und Ensem­ble. Das war viel mehr als Chor: Es gab die Kunst­therapie und Bildungs­sessions. Ich habe mich noch in verschie­denen Projekten wie Mentoring für migrantische Mütter enga­giert. Aber ich möchte noch mal die Kunst- und Musiktherapie betonen, um auf psycholo­gische Pro­bleme von Geflüch­teten und Migrant­*innen auf­merk­sam zu machen. Ich würde mich freuen, wenn die Stadt Leipzig psycholo­gische Un­ter­­stüt­zung in ver­schie­denen Spra­ch­en anbieten würde und Migrant*innen beraten werden kön­­nten. Im Sommer 2020 habe ich mich ent­schlos­sen, einen Ver­ein zu grün­den: Forte für Kunst und Kultur und Gleich­stellung der Gesch­lech­t­er.

    Was sind Ihre aktuellen Ideen?

    Ich finde es sehr bedeutsam, dass jede*r Ausländer*in eine Mög­lichkeit hat, sich auszu­drücken. Und deswegen würde ich mich freuen, wenn wir eine arabische internationale Zeit­schrift für Frauen in Leipzig hät­ten, die auf Arabisch und Eng­lisch erscheinen würde. So möch­­­te ich die Öffent­lich­­keits­­arbeit starten, damit viele a­ra­bi­sche Frauen sich reprä­sen­­tieren können, ohne Sprach­bar­rieren zu haben, und dann im Bil­dungs­­system eine Commu­nity aufbauen. Die zwei­te Idee ist ein inter­natio­nales Kultur­zentrum, also ein Ort, wo viele Migrant­*innen, und auch Deut­sche, hingehen kön­nen, wo sich Leute treffen, wo es Hochkultur­angebote für Se­nior­­*innen, Kin­der, Fami­lien im gleichen Ort gibt. Die Idee ist, den Zugang zu diesen Aktivi­täten für Migrant­*innen verfügbar zu machen. Ich hoffe, dass auch viele Schulen mit uns ko­ope­rieren werden. Bis heute gibt es viele Ungleich­heiten, sodass Mi­grant­*innen keinen Zugriff zum sozialen kulturellen Leben ha­ben. Wie kann man in dieser Situation über Integration spre­chen, wenn die Gesell­schaft nicht die Mög­lich­keit bietet, sich zu integrieren und zu interagieren? Das ist das Pro­blem, mit dem wir uns eigent­lich beschäftigen und das wir zusammen lösen sollten, da Integration eigentlich Inter­aktion bedeutet.

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