Gekündigt und abgehängt
Nachdem der Getränkeauslieferer Durstexpress mit dem Konkurrenten Flaschenpost fusionierte, hat sich die Situation für viele Mitarbeiter*innen verschlechtert. Einige klagen nun.
„Durstexpress hatte ein richtig abgewracktes HUB.“ Das sagt Sarah Kayser, der – wie dem gesamten Leipziger Team der Dr.-Oetker-Tochter – im Januar der Job gekündigt wurde. HUB ist die Hauptumschlagbasis, der Ort, an dem Sendungen koordiniert werden. Die Oetker-Gruppe war nach einer „Analyse der Lage sowie Infrastruktur“ des Lagers wohl der gleichen Meinung wie Kayser und hat sich im Zuge einer Betriebsfusion (künftig gibt es nur noch Flaschenpost) stattdessen dafür entschieden, dem vormals konkurrienden Lieferservice Flaschenpost in Leipzig den Vortritt einzuräumen. Den hatte die Durstexpress-Besitzerin Medienberichten zufolge im vergangenen Jahr für eine Milliarde Euro erstanden. Wie ehemalige Mitarbeiter*innen berichten, sind die Arbeitsbedingungen für Durstexpress-Gekündigte, deren Wechsel zu Flaschenpost erfolgreich war, nun aber schlechter.
„Uns war daran gelegen, möglichst viele der Leipziger Durstexpress-Mitarbeiter auch weiterhin zu beschäftigen“, heißt es dazu vom Flaschenpost-Kommunikationsleiter Martin Neipp. Die Darstellungen ehemaliger Mitarbeiter*innen widersprechen dem. Laut Sarah Kayser, die sich wie alle Ehemaligen bei Flaschenpost neu bewerben musste, wurden die Verträge der Gewechselten, unabhängig von ihrer vorherigen Beschäftigung bei Durstexpress, zunächst auf ein halbes Jahr befristet. Das spricht nicht gerade für den Willen zu langfristiger Weiterbeschäftigung. Immerhin entfielen für vormalige Durstexpress-Mitarbeiter*innen dafür Probearbeitstage oder Hospitationen, sagt Neipp. Außerdem müssen sie nicht ein halbes Jahr auf den „erhöhten Grundlohn“ warten. Den würden viele durch die Sechs-Monats-Verträge sonst vermutlich nicht erleben.
Das liegt nicht zuletzt an der von Neipp gepriesenen „leistungsabhängigen Zulage von bis zu 2,50 Euro pro Stunde“ im Flaschenpost-Lohnsystem. Laut dem ehemaligen Durstexpressler Christopher Müller sortiert das „prekäre“ Bonussystem Personen schnell aus, wenn sie nicht effizient genug sind. „Jeder Arbeitsschritt wird sekundengenau gestoppt“, sagt Christoph Genzel, Initiator der Joberhaltungsinitiative „Kündingdong“. „Je nachdem, wie man zeitlich im Vergleich zu den anderen Kolleg*innen einer Schicht abschneidet, wird der Bonus ausgezahlt.“ Ein Anspruch auf Einsicht in die Zeittabellen bestehe nicht. „Das schaffe ich eh nicht“, sagt Kayser, die ihre Kündigung bereits eingereicht hat. Doch nicht nur die Art der Bezahlung, die Kolleg*innen zu Konkurrent*innen macht, hält von einer Neubewerbung ab.
Für Durstexpress-Vollzeitmitarbeiter*innen ist auch der Wechsel von um die 13 auf elf Euro bei Flaschenpost nicht lohnend. „Man fängt bei Null an, das hat niemand eingesehen“, sagt Christopher Müller. Der ehemalige Vollzeitmitarbeiter hat sich nicht neu beworben. Von der Kommunikation durch seinen ehemaligen Arbeitgeber ist er enttäuscht. Für die meisten kam die Kündigung am 20. Januar überraschend. Die Leipziger Arbeitsagentur hat im Interesse der Arbeitnehmer*innen eine Entlassungssperre ausgesprochen. Die hatte bewirkt, dass die Kündigungen nicht wie geplant zum 28. Februar erfolgten, sondern Durstexpress die Mitarbeiter*innen im Leipziger Lager bis zum 22. März weiterbeschäftigen musste.
Genzel und etwa vierzig bis fünfzig seiner ehemaligen Kolleg*innen haben gegen die Kündigungen geklagt. „Bisher haben alle Gütetermine stattgefunden“, sagt Genzel. Diese finden vor den mündlichen Verhandlungen statt, um eventuell den Rechtsstreit einvernehmlich beizulegen. Durstexpress habe aber keine gütlichen Angebote unterbreitet, weswegen es Ende Mai zu Kammerterminen kommt, bei denen das Gericht entweder direkt über die Rechtmäßigkeit der Kündigungen entscheidet oder befindet, dass eine Beweisaufnahme notwendig ist. Genzel ist vom Erfolg der Klagen überzeugt, weil Anhaltspunkte für einen sogenannten Betriebsübergang vorliegen würden. Damit gehen nach Paragraph 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches für die Arbeitnehmer*innen besondere Rechte einher. Kündigungen „wegen des Übergangs eines Betriebs“ sind dann unwirksam.
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