Mitreden, aber nicht mitbestimmen
Nahezu alle den Infektionsschutz betreffenden Entscheidungen hat das Rektorat getroffen. Im beratenden Krisenstab können Studierende sich zwar Gehör verschaffen, ein Stimmrecht haben sie nicht.
Auch das Sommersemester wird online stattfinden. Das hat das Rektorat entschieden, und es ist sicherlich vor dem Hintergrund hoher und steigender Infektionszahlen, des langsamen Impftempos und maßnahmenskeptischer Ministerpräsident*innen auch richtig. Dennoch: Warum dürfen Studierende bei Entscheidungen dieser Tragweite nicht mit abstimmen?
Die Beteiligung an der Entscheidungsfindung ist nicht das Problem: Der Krisenstab der Universität trifft sich wöchentlich, meist für etwa 30 Minuten. Es sollen Meinungen gesammelt und die Umsetzung der Maßnahmen organisiert werden. Entscheiden soll der Krisenstab nichts. Es gibt auch keine Geschäftsordnung, denn der Stab ist gesetzlich nicht vorgesehen. Wer darin sitzt, wie oft er sich trifft und was besprochen wird, bestimmt das Rektorat. Themen reichen von der Umsetzung der Online-Lehre über das Hygienekonzept bis zur Teststrategie. Mitglieder sind die Rektorin, die Kanzlerin und der Prorektor für Bildung und Internationales, vier Dezernats- oder Büroleiter*innen, eine Vertreterin der Universitätsbibliothek, die Leiterin des Studentenwerks, zwei Mitglieder der Stabsstelle Universitätskommunikation, die Dekanatssprecherin, der Direktor des Universitätsrechenzentrums, der Vorsitzende des Personalrats, die Vertretung des Betriebsarztes und die Beauftragte für studentische Angelegenheiten (BfsA). Das sind 16 Personen, nur eine von ihnen ist Studentin.
„Die Beteiligung Studierender sollte ausgebaut werden“, verlangt die amtierende BfsA Antonia Gerber. Es sei schwer, die verschiedenen Meinungen innerhalb der Studierendenschaft als Einzelperson abzubilden, insbesondere weil sie in ihrem Amt noch einige andere Aufgaben hat. Der Pressesprecher der Universität, Carsten Heckmann, begründet die Zusammensetzung des Krisenstabs damit, dass es um Funktion, nicht Repräsentation gehe. Kritik und Vorschläge können laut Heckmann außerdem über den Studierendenrat der Universität geäußert und beraten werden, gegebenenfalls Entscheidungen des Rektorats im Dialog angepasst werden. Auch Gerber sagt, man könne dem Rektorat nicht vorwerfen, sich nicht für die Meinung der Studierenden zu interessieren, Rektorin Beate Schücking frage „aktiv nach meiner Meinung“.
Abgestimmt werde selten, berichtet Gerber. In den allermeisten Fällen bestehe Konsens darüber, was getan werden muss. Das schließe die Universitätsleitung mit ein: „Das Rektorat handelt nicht gegen den Krisenstab“, sagt sie. Auch Pressesprecher Heckmann schreibt auf Anfrage: „Das Rektorat entscheidet nicht unabhängig vom oder gegen den Krisenstab.“
Paul Reinhardt bezweifelt, dass das reicht: „Kommunikation ersetzt nicht Beteiligung“, sagt er. Reinhardt ist hochschulpolitischer Sprecher des Stura und schlägt vor, den Krisenstab zu formalisieren oder anderweitig eine Struktur zu schaffen, in der alle Mitgliedergruppen vertreten sind und verbindliche Entscheidungen treffen, legitimiert durch Rektorat und Senat. Gerber ist sich unsicher, ob der Krisenstab als demokratisches Gremium funktionieren würde. Seine große Stärke sei aktuell, dass niemand allein für die Interessen der eigenen Statusgruppe eintritt. In einem Gremium, das tatsächlich Entscheidungen trifft, könnte sich das ändern. „Man muss nachsichtig miteinander sein“, sagt Gerber.
Im Verlauf der Pandemie wird noch einiges zu entscheiden sein: Wann machen die Bibliotheken wieder auf? Welche Veranstaltungen finden zuerst in Präsenz statt? Wie wird das Wintersemester aussehen? Niemand kann garantieren, dass sich Rektorat und Studierendenschaft auch in Zukunft einig sein werden. Bei diesen Entscheidungen haben Studierende zwar eine Stimme. Aber kein Stimmrecht.
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