Fußball und die Klimakrise
Fußballvereine und ihre Anhänger*innen stoßen große Mengen CO2 aus. Woher kommt das? Und lässt es sich ändern?
Ein ganz normaler Tag im Stadion: Die Fans des gegnerischen Teams sind angereist und sitzen in ihrer Fankurve. Vor den Bockwurstständen bilden sich lange Schlangen und die Parkplätze sind rappelvoll. Hinter dem, was (vor Corona) für viele Menschen wöchentlicher Alltag war, verbirgt sich ein enormer CO2-Ausstoß.
Der VfL Wolfsburg hat 2020 eine umfassende Nachhaltigkeitsbericht zum Verein veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass der Verein in der Saison 2019/20 einen Treibhausgasausstoß von 9.460 Tonnen CO2e hatte. CO2e steht für „CO2-Äquivalente“ und rechnet auch andere Treibhausgase wie Methan oder Lachgas mit ein. Auf die Vereinsmitglieder gerechnet liegt der CO2-Ausstoß des VfL pro Kopf bei etwa einer halben Tonne CO2. Das entspricht einem Hin- und Rückflug nach Spanien. Als Vergleichswert: Die seit der Potsdamer Klimakonferenz angestrebte internationale Richtlinie liegt bei zwei Tonnen CO2 pro Person und Jahr. Bei den Wolfsburger*innen ging rund 60 Prozent des Ausstoßes zurück auf die An- und Abreise der Fans. 18 Prozent stammen aus der Heizenergie. Insbesondere die bei Profivereinen häufig benutzte Rasenheizung verbraucht viel Energie. Und rund sechs Prozent der ausgestoßenen Emissionen sind durch Mannschafts- und Geschäftsreisen verursacht worden. Der grün-weiße Verein will aber seiner Farbe über das Trikot hinaus treu bleiben. Als erster deutscher Fußballverein hat der VfL die Klimaschutzvereinbarung der Vereinten Nationen „Sports for Climate Action“ unterschrieben. Wolfsburg plant bis 2025 auf Netto-Null zu kommen, das heißt „alle direkt oder indirekt verursachten Treibhausgasemissionen werden durch Reduktionsmaßnahmen verringert oder durch Ausgleichsmaßnahmen kompensiert.“ Der Verein setzt auf erneuerbare Energien, Mehrwegbecher und beheizt den Rasen nun mit Restwärme aus den Gebäuden. Um die Treibhausgasschleuder Fanbewegung einzugrenzen, bietet der VfL für die Heimspiele des Frauenkaders und der U23-Mannschaft Karten an, die als Kombitickets für den ÖPNV benutzt werden können. Warum dieses Angebot nicht für die Männerspiele existiert, lässt der Verein offen.
Auch in Leipzig sitzt ein grün-weißer Verein: die BSG Chemie. Konkrete Zahlen gebe es zu dem CO2-Ausstoß des Vereins nicht, sagt René Jacobi, Pressesprecher der BSG Chemie. „Wir liegen mitten in einem Naturschutzgebiet. Bei uns gibt es keine großen Parkplätze. Über die Hälfte unserer Besucher kommen nicht mit dem PKW und rund ein Viertel der Besucher kommt mit dem Fahrrad.“ Auch gebe es weder eine Rasenheizung noch eine Flutlichtanlage, sagt Jacobi. Die Halle sei weiterhin im Sommer wie Winter nicht beheizt. „Um in die Regionalliga zu kommen, braucht ein Stadion allerdings Flutlichter. Das kostet viel und man braucht es nur drei, vier Mal im Jahr. Das ist nicht nachhaltig“, kritisiert der Pressesprecher. Der Verein habe auf seine Weise klimaneutrale Änderungen angestoßen. Lippenbekenntnisse wie das Unterschreiben des UN-Abkommens „Sports for Climate Action“ seien schön und wichtig, so Jacobi. Der Selbstanspruch der BSG sei es aber, etwas zu leben und es nicht nur dranzuschreiben. Zur letzten Saison wurde ein Pfandsystem mit Bechern aus recyclebarem Material eingeführt. „Das Problem hierbei war, dass die Fans die Becher mit Logo-Aufdruck massenweise mitgenommen haben“, erzählt Jacobi. Auch kulinarisch habe sich der Verein in neue Gewässer getraut. „Anstatt Bier, Bockwurst und Bulette gibt es bei uns jetzt manchmal auch Veggie-Stände, an denen sich Start-Ups austoben können.“
Gänzlich vegane Kost gibt es bei einem Viertliga-Verein in England. Forest Green Rovers (FGR) ist der wohl umweltfreundlichste professionelle Verein Europas. Die Engländer nutzen Schienenbeinschoner aus Bambus, einen Solarrasenmäher und bauen derzeit an einem nachhaltigen, größtenteils aus Holz bestehenden Stadion. Ein Nachhaltigkeitsreport von FGR zeigt: Es zahlt sich aus. Der CO2-Ausstoß des Vereins in der Saison 2019/20 liegt bei 35,46 Tonnen. Dieser Rückgang von 53 Prozent zur vorherigen Saison lässt sich nebst der Umstellung auf Ökostrom mit der Pandemie erklären. Doch Klimainvestitionen sind teuer und können nicht von jedem Verein finanziert werden. Dies gilt auch im Fall der BSG Chemie. Der Verein macht nach eigenen Aussagen um die 50.000 Euro Verlust pro Spiel, das wegfällt – und das sind derzeit sehr viele.
Natürlich stoßen Erstligavereine mehr CO2 aus als Viertligavereine. RB Leipzig hat bis Redaktionsschluss keine Aussagen zu seiner Klimabilanz gemacht. Diese befindet sich wahrscheinlich in ähnlicher Höhe wie die des VfL Wolfsburg, wenn nicht sogar höher. Denn die An- und Abreisedistanzen für Leipzig-Fans sind besonders hoch. Während ein durchschnittlicher Eintracht-Frankfurt-Fan in der Saison 289 Kilometer zurücklegt, sind es bei den RB-Fans rund 406 Kilometer. Das liegt daran, dass im Rhein-Main-Gebiet sowie im frankfurtnahen Nordrhein-Westfalen noch diverse weitere Erstligaclubs liegen. Aus Leipzig hat man es als Fan dementsprechend weiter zu den Auswärtsspielen. Proportional höher ist dann auch der CO2-Ausstoß.
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