Puschel, Rumgehüpfe und knappe Kostüme
Kolumnistin Marijke kennt aus jahrelanger Erfahrung die unterschiedlichen Facetten des Cheerleadings und weiß, dass mehr dahinter steckt, als das, was einem bei dem Begriff vor Augen springt.
„Was muss man denn da groß trainieren?”, „Das ist ja kein richtiger Sport” oder „Puschel schwingen kann ja jeder” – solche Kommentare habe ich in meiner Kindheit und Jugend zu genüge gehört. Mein Hobby: eine Sportart die man nur aus Filmen und vom American Football kennt.
Als ich das erste Mal mit Cheerleading in Berührung kam, war ich gerade einmal fünf Jahre alt. Wir hatten damals ein Sommerfest in unserem Stadtteil, wo eine Bekannte mit Ihrem Team aufgetreten ist. Danach war ich hin und weg, bin vom Schwimmen zum Cheerleading gewechselt und hab ein neues Hobby gefunden, welches lange Bestandteil meines Alltags war. Das Bild von Frauen in knappen Kostümen, Puschel schwingend am Rand von einem Basketball- oder Footballspiel, war mir völlig unbekannt. Ich hatte mein eigenes Bild bestehend aus Training, vielen Verletzungen und Meisterschaften. Anfangs waren es noch zwei Mal die Woche, dann wurden es vier Tage und später war es fast jeder Tag, an dem ich trainierte. Verletzungen, mein ständiger Begleiter. Weit weg von dem Bild, welches in den Köpfen der Menschen existierte. Kommentare, Debatten und Späße kamen, da war ich etwa zehn Jahre alt. Vollkommen in meiner eigenen Blase verteidigte ich den Sport, zeigte meinen Stolz dazu und verstand das Unwissen der meisten nicht.
Es ist eine eigene Welt dominiert von Leistung und Perfektion, aber auch Schleifen und Glitzer. Es zielt alles auf die 2:30 Minuten ab. In der Zeit wird die Routine (ein Mix aus Pyramiden und Hebefiguren, Turnen, Tanz und Sprüngen) einer Jury gezeigt. Pompoms gibt es dabei nicht. Zwei Minuten 30 Sekunden – kein Fehler darf passieren, alles muss stehen, Frisur und Uniform müssen sitzen und egal was, ein Lachen muss auf dem Gesicht sein. Ernsthafte Verletzungen – keine Seltenheit, genauso wie Trainer die von dir noch mehr verlangen, obwohl du schon an deinem Limit bist. Aber zwischen all den Anstrengungen und harten Momenten, gibt es auch eine Menge Spaß. Spaß mit deinem Team, mit dem du durch gute und schlechte Zeiten gehst. Man wird zu einer Einheit und schenkt einander eine Menge Vertrauen. Das Team wird zu einer zweiten Familie.
Es gibt immer etwas Neues, was einen herausfordert. Manches übt man allein und anderes ist nur in der Gruppe zu bewältigen. Jeder hat dabei seine feste Position, Auswechseln, gibt es nicht. Ich selbst habe über die Jahre alle Positionen erlernt, so war ich mal Base (unten, seitlich) und mal Flyer (oben). Die meisten meiner Jahre war ich jedoch Backspot (unten, hinten), wo man die gesamte Kontrolle hat und für die Richtigstellung von noch so kleinen Unebenheiten zuständig ist. Und das ist das Besondere am Cheerleading. Das hat mich damals in den Bann gezogen und mehr als 13 Jahre gehalten. Nun bin ich 20, habe vor eineinhalb Jahren wegen meines Umzugs nach Leipzig, meine Schleife und Uniform abgelegt und Spaß in einem anderen Sport gefunden, der nicht ganz so intensiv ist. In diesen 13 Jahren jedoch habe ich eine Menge gelernt. Angefangen von den einfachen Dingen des Zeitmanagements bis hin zu Durchhaltevermögen, einer Willensstärke, einem ausgeprägten Kampfgeist und so vielem mehr. Ich habe gelernt anderen Menschen ein Grundvertrauen geben zu können und Konflikte auch mal beiseite zu schieben. Meine Trainerin pflegte immer zu sagen: „Mir ist es egal was vor den Türen der Halle ist. Aber hier drinnen habt ihr mit einander klar zu kommen und zu harmonieren.”
Es ist eine ganz eigene Welt, die glücklicherweise immer mehr den Respekt bekommt, den sie auch verdient. Eine Welt, bei der ich stolz bin, Teil von ihr zu sein.
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