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  • Kolumne: Verbot von Corona-Demonstrationen

    Das Recht auf Versammlungsfreiheit wurde für einige Zeit außer Kraft gesetzt. Kolumnistin Margarita fragt sich, ob das noch verhältnismäßig ist.

    Seit Beginn der Pandemie höre ich von Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen, die zu gewalttätigen Ausschreitungen führen, weil Teilnehmer sich nicht an Auflagen und Verbote halten. Die bisher eindrücklichsten Bilder stammen von einer Demo in Berlin, bei der Demonstranten den Versuch unternahmen, den Reichstag zu stürmen. Aus diesen Gründen verbot unlängst der Verwaltungsgerichtshof in Kassel und davor das Oberverwaltungsgericht in Berlin mehrere angemeldete Demonstrationen mit der Begründung, dass aufgrund vorheriger Erfahrungen bei den angemeldeten Versammlungen erneut mit Verstößen zu rechnen sei. Doch wo hören die Schutzmaßnahmen auf – und wo beginnt die Versammlungsfreiheit?

    Die Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht und ein wichtiger Pfeiler unserer Demokratie. Sie ist neben den freien Wahlen und der Meinungsfreiheit eines der wichtigsten Instrumente der Willensbildung des Volkes und damit eines legitimierten demokratischen Staates. Somit garantiert sie jedem, sich friedlich mit anderen versammeln und seine und wenn auch noch so unsinnige politische Meinung kundtun zu können. Dabei ist übrigens egal, ob die vertretene Meinung wissenschaftlich fundiert ist oder nicht.

    Doch wie steht es dabei um die Gesundheit anderer? Was passiert, wenn sich morgens auf einer Corona-Demo Tausende gegenseitig anstecken, nachmittags die Familie besuchen, abends im Biergarten sitzen und kurz darauf in die umliegenden Krankenhäuser gebracht werden, in denen kein freies Bett mehr zur Verfügung steht? Die Antwort ist knapp: unkontrollierbare Virusausbreitung und ein kollabierendes Gesundheitssystem.

    Die Preisfrage: Was ist wertvoller? Die Freiheit, mit seiner Stimme die Politik mitbestimmen oder die Sicherheit, seine Großeltern und seine beiden Lungenflügel noch eine Weile behalten zu können? Dieser Frage widmen sich seit anderthalb Jahren immer wieder Gerichte und Politik. Grundrechte versprechen keine absoluten Freiheiten. Kollidiert das Versammlungsrecht mit einem anderen Recht, darf es verkürzt werden, wenn dieser Schritt gerechtfertigt ist. Die Rechtfertigung kann darin bestehen, ein gleichwertiges Schutzgut wie das Leben zu schützen. Es läuft auf eine Abwägung hinaus: Wie wichtig sind die bedrohten Schutzgüter und wie stark sind sie gefährdet?

    Ob nun Demokratie oder Lungenflügel wichtiger ist, sei dahin gestellt und ein Stück weit auch jedem selbst überlassen. Fakt ist aber – Es bleibt eine Gratwanderung zwischen zwei Gütern unserer Gesellschaft, bei der keines der beiden bedingungslos überwiegt. Zur schrankenlosen Normalität zurückkehren können wir, wenn Herdenimmunität erreicht ist. Bis dahin sollten wir als Gesellschaft versuchen etwas enger zusammen zu rücken und in einen Dialog miteinander und dem Staat zu treten, bezüglich noch sinnvoller und unsinniger Maßnahmen. Ziviler Ungehorsam in Form von gewalttätigen Ausschreitungen kann nicht das Mittel der Wahl sein und schon gar nicht wenn dabei das Herz unserer Volksvertretung überrannt wird. Aber auch der Staat hat regelmäßig dich Pflicht die einschränkenden Maßnahmen gegenüber der Bevölkerung zu rechtfertigen, Gefahren immer wieder neu zu bewerten und Maßnahmen, wenn möglich zu lockern oder gar aufzuheben. Das Recht auf politische Willensbildung grundsätzlich zu verbieten ist dabei genauso wenig zielführend und effektiv wie der Glaube an Aluhüte und rosa Elefanten.

    Titelfoto: Unsplash

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