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  • „Dem Klimawandel hilft es nicht, wenn wir nur mit gutem Beispiel vorangehen“

    Im Vorfeld der Bundestagswahl interviewen wir die Direktkandidierenden aller im Bundestag vertretenen Parteien. Jessica Heller tritt für die CDU im Leipziger Süden an.

    Jessica Heller ist Kranken- und Gesundheitspflegerin und möchte für die CDU den Wahlkreis Leipzig-Süd gewinnen. Im Interview mit luhze-Redakteur Jonas Waack spricht sie über ihre Partei, einen europäischen Ansatz für die Klimakrise und Wohnen in Leipzig.

    luhze: Als Sie 2014 in den Stadtrat eingezogen sind, haben Sie gesagt: „Es wäre doch blöd, wenn ich sagen würde: Ich nehme die Wahl nicht an, weil ich nicht weiß, ob ich in der politischen Arbeit gut bin.“ Haben Sie es inzwischen herausgefunden?

    Heller: Ja, ich denke schon. Ich war nicht die einzige Kandidatin der CDU im Wahlkreis. Wenn ich darin nicht gut wäre, hätte ich schon die Nominierung nicht geschafft. Ich habe gemerkt, dass die Pflege das Thema ist, warum ich nach Berlin will. Gesundheitspolitik wird nun mal auf Bundesebene gemacht. Diese großen Probleme, die ich sehe, sind grundlegender Natur. Und bevor sich das auf Bundesebene nicht ändert, kann man auf Landes- und kommunaler Ebene in der Gesundheitsversorgung wenig ändern.

    Die CDU hat 16 Jahre regiert und hätte die Probleme, die Sie erwähnt haben, in diesen 16 Jahren lösen können. Dasselbe könnte man über die Klimakrise sagen, außerdem gab es Korruptionsskandale. Warum wollen Sie für die CDU in den Bundestag?

    Ich habe grundsätzlich mit der CDU die meisten Übereinstimmungen, was die Werte angeht. Ich komme aus einem kirchlich geprägten Elternhaus. Dass man Menschen fördert, aber auch fordert. Das habe ich immer als Stärkung empfunden. Mein Großvater ist von zu Hause weggerannt, hat mit nichts angefangen und dieses Leistungsprinzip hochgehalten. Er hat aber auch immer gesagt: „Wenn es mir gut geht, will ich auch anderen helfen, dass sie diese Möglichkeit haben.“ Das finde ich in der CDU am besten wieder. Aber natürlich machen mich diese Skandale furchtbar wütend, weil sie all diejenigen in Verruf bringen, die etwas Gutes leisten wollen. Das macht es uns allen schwerer, weil die Politikverdrossenheit in Deutschland ohnehin schon groß genug ist.

    Sie wollen mehr Nationalparks einrichten. Wo?

    Die Idee ist entstanden, als ich in England war und da gearbeitet habe, weil ich gesehen habe, wie sie mit ihrer Landschaft umgehen. Ihr National Trust ist ein eigenes Konzept, auch durchaus monetär. Man kann Mitglied werden, hat dann freien Zugang zu Denkmälern, also Häusern von Schriftstellern oder vom alten Adel. Die Mitgliedsbeiträge geben dem Trust eine viel bessere finanzielle Ausstattung. Und es gibt eine Regelung, dass alles, was an Grundbesitz einmal zur Stiftung kommt, nicht wieder privatisiert werden darf. Es werden Angebote gemacht, für Schulklassen, zu Kunstgeschichte und so weiter. Ich fand es schön, dass sie das als Ganzes denken. Das halte ich für wichtig, weil ich das Bedürfnis sehe, diese Orte zu schützen.

    Lange Zeit war es so, dass wir in Deutschland gemessen an unserer Fläche sehr wenig Naturschutzgebiete ausgewiesen haben. Und was vor allem fehlt, sind Bewegungskorridore für die Fauna. Das kann natürlich nicht die ganze Infrastruktur eines Landes lahmlegen. Aber das muss es auch nicht. In England hatte ich das Gefühl, dass es geht und dass man viel bewusster damit umgeht.

    Und wem gehören diese Flächen in Deutschland aktuell? Wem müssen sie weggenommen werden?

    In England werden sie von den Eigentümern gestiftet, wenn die sie selbst nicht betreiben können.

    Sie sind für eine Schuldenbremse, wollen aber trotzdem massiv in Klimaschutz investieren. Wo kommt das Geld dafür her?

    Grundsätzlich bin ich für die Schuldenbremse, weil wir alles, was wir jetzt an Schulden aufnehmen, der nächsten Generation aufbürden. Ich bin aber keine Finanzpolitikerin, das muss ich ganz ehrlich sagen. Ich bin Sozialpolitikerin und Gesundheitspolitikerin. Das kostet halt vor allem Geld. Aber mir war immer wichtig, dass man Kosten und Nutzen gut miteinander abwägt. Beim Klimawandel ist es ja so, dass uns Nichtstun auch unglaublich teuer zu stehen kommen wird. Gesundheits- und Pflegepolitik ist ähnlich. Die Folgen einer schlechten Versorgung oder von schlechten Maßnahmen kommen uns viel teurer zu stehen als eine funktionierende Versorgung. Man sieht aber, dass wir ineffektive Maßnahmen trotzdem irgendwie immer weiterführen. Das macht den kommunalen Haushalt zu einem Fass ohne Boden, was langfristig nicht funktioniert.

    Aber selbst wenn sich Investitionen in den Klimaschutz langfristig rechnen, muss diese erste Investition irgendwo herkommen.

    Bei der Digitalisierung, zum Beispiel, geht es nicht nur darum, zusätzlich zu dem ganzen Beamtenapparat die Digitalisierung einzuführen, denn die nimmt uns auch Arbeit ab. Da werden Arbeitskapazitäten frei. Und die Menschen können entweder in anderen Bereichen eingesetzt werden, die nur Menschen machen können, oder man muss darüber reden, ob da nicht auch einige Arbeitsplätze überflüssig werden. In der freien Wirtschaft ist das gang und gäbe. Es geht darum, Einsparpotenziale zu finden.

    Die CDU will den Klimaschutz vor allem mit dem europäischen Emissionshandel vorantreiben. Das ist natürlich schwieriger durchzusetzen, weil Länder wie Polen, die stark auf Kohlekraft angewiesen sind, das blockieren können. Also wird es länger dauern, als wenn Deutschland vorangeht. Warum sind Sie trotzdem für die europäische Lösung?

    Noch auf 1,5 Grad zu kommen, schaffen wir nur, wenn alle mitziehen. Es sind 51 Milliarden Tonnen Emissionen, die wir einsparen müssen. Davon ist Deutschland nur ein Bruchteil. Das heißt, wir müssen einerseits vorangehen mit Innovationsförderung und Technologien, die es anderen leichter machen, diesen Weg zu gehen. Ein Land wie Deutschland hat eine hohe Ingenieursleistung und dort viel Potenzial. Da bringen uns Verbote nicht weiter. Die sparen vielleicht einen Teil ein, lösen aber das Grundproblem nicht, dass wir nur ein kleiner Teil der Welt sind. Diese diplomatische Sache auf europäischer Ebene ist natürlich ein dickes Brett. Es ist illusorisch zu sagen, „wir gehen voran, die anderen werden schon aus idealistischen Gründen folgen.“ Dem Klimawandel hilft es nicht, wenn wir nur mit gutem Beispiel vorangehen. Aber es darf auch nicht passieren, dass wir so lange nichts machen, wie die anderen nichts machen. Man muss auf jeden Fall anfangen. Allerdings bringen Verbote niemand anderen dazu, Emissionen zu sparen. Die Lösung sind Innovationen und diplomatische Lösungen. Dieser Ansatz der CDU wird immer umgedeutet, als wollten wir nichts tun. Das kann ich auch verstehen, mit der Erfahrung der vergangenen Jahre. Aber die Zeit hat bei den Menschen, die ich in der CDU kenne, ein neues Bewusstsein geschaffen.

    Die Technologien gibt es schon. Windkraft funktioniert. Da kommt das Verbot dann eher von NRW-Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet, der in NRW einen 1.000-Meter-Radius um Wohngebiete eingerichtet hat, in denen keine Windräder mehr stehen dürfen. Das hilft der Energiewende nicht.

    Diese Technologien haben eine hohe Ablehnung in der Bevölkerung. Und es bringt uns nichts, wenn wir das gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung machen und sich dann die demokratischen Mehrheitsverhältnisse verändern, sodass Parteien an die Macht kommen, die den menschengemachten Klimawandel per se leugnen.

    Sie wollen, dass statt 450 Euro nun 600 Euro als Freibetrag für die Einkommensbesteuerung gilt, damit Studierende sich ihr Studium besser finanzieren können. Sind Sie trotzdem für eine Erhöhung des Bafög?  

    Jein. Es ist grundsätzlich nichts dagegen zu sagen. Aber ich sehe, dass es viele gar nicht bekommen oder gar nicht beantragen, weil sie denken, sie kriegen das nicht. Wir sehen das ja auch an den Beantragungszahlen, die seit Jahren zurückgehen. Da würde ich erst mal da ansetzen, ein bisschen was zu verbessern.

    Auch in Leipzig wird für viele Studierende das Thema Wohnen immer schwieriger. Ihre Antwort auf den Wohnungsmangel ist „Bauen“. Bauen ist aber erst mal schlecht fürs Klima. Warum sind Sie eher fürs Bauen als dafür, dass Kommunen Wohngebäude kaufen und dann bezahlbar vermieten?

    Das mit dem Kaufen klappt so lange, wie noch Gebäude da sind, die man vermieten kann. In Leipzig wird das aktuell mit sieben Prozent stadtweit beziffert. Wenn wir weiter so wachsen, wie wir das die letzten Jahre getan haben, ist das auch schnell aufgebraucht. Grundsätzlich hilft gegen Wohnungsmangel oder steigende Mieten nur, dass mehr zur Verfügung steht und die Anbieter im Wettbewerb miteinander stehen. Zumindest, wenn schon bei der Ausschreibung mitgedacht wird, dass zum Beispiel bei einem neuen Stadtquartier 30 Prozent sozialer Wohnungsbau sein müssen.

    Bei der Bundestagswahl 2017 sind keine CDU-Kandidierenden über die sächsische Landesliste eingezogen, weil die Partei sehr erfolgreich über die Direktmandate war, also müssen Sie wohl Ihren Wahlkreis gewinnen, um in den Bundestag einzuziehen. Dort unter anderem gegen Sören Pellmann (Linke) und Paula Piechotta (Grüne) an, die auf ihren Listen sehr weit oben stehen. Sind Sie am Ende die lachende Dritte oder Opfer des Erfolgs der ländlichen CDU?

    Das ist der Leistungsanspruch der CDU. Und das heißt dann natürlich auch, dass man sich vor allem ums Direktmandat bewirbt, nicht vorrangig über die Liste.

    Und glauben Sie, Sie schaffen es in den Bundestag?

    Ja, eigentlich schon. Es ist ein sehr knapper Wahlkreis und wenn ich nicht denke, dass ich es schaffen könnte, würde ich nicht antreten.

     

    Foto: Team Jessica Heller

    luhze hat alle Direktkandidierenden zweimal kontaktiert. Paula Piechotta, Peter Jess und Siegbert Droese haben uns keine oder nur verspätet Termine vorgeschlagen, weshalb mit ihnen keine Gespräche stattfinden konnten.

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