„Ich möchte Leipzig als Sport- und Wirtschaftsstandort stärken“
Im Vorfeld der Bundestagswahl interviewen wir die Direktkandidierenden aller im Bundestag vertretenen Parteien. Jens Lehmann tritt für die CDU im Leipziger Norden an.
Jens Lehmann (CDU) hat bereits vier Jahre im Bundestag hinter sich. Nun wurde er erneut für den Wahlkreis Leipzig I nominiert. luhze-Redakteur Yannick M. Beierlein spricht mit ihm über seine Motivation, Klimapolitik und die Auswirkungen der Pandemie.
Nach einer erfolgreichen Karriere als Radprofi führte Ihr Weg 2003 in die Politik. Was ist Ihre Motivation, politisch aktiv zu sein?
Ich war schon immer ein sehr politischer Mensch, so wurde ich erzogen. Mein Vater war überzeugter CDUler und das war auch immer die Linie, die ich gerne vertreten wollte. Ich bin dann 2003 in die CDU eingetreten, um als Leistungssportler dort auch meine Interessen zu vertreten. Allerdings war es nie mein Ziel, in ein Parlament einzuziehen. Eine Priorität war für mich der Stadtsportbund in Leipzig, wo ich die Fähigkeiten, die ich während meiner Karriere gesammelt habe, weitergeben wollte. Nach der sportlichen Laufbahn habe ich mich als Erzieher betätigt und gesehen, dass auf Bundesebene im Bereich Bildung noch einiges zu tun ist. Deswegen entschloss ich mich 2016, für den Bundestag zu kandidieren.
Also kein Berufspolitiker?
Nein. Ich bin einfach dankbar, dass ich neben dem Sport und meiner Tätigkeit als Erzieher auch noch die Facetten der Politik kennenlernen durfte.
Haben Sie das Gefühl, im Bundestag etwas bewegen zu können?
Das habe ich tatsächlich. Ich war auch nicht naiv und dachte, ich kann da alles auf den Kopf stellen. Man muss sich konkrete Ziele setzen und immer für das kämpfen, was man auch realisieren kann. Ich kann natürlich nicht alleine ein Gesetz beschließen, aber ich kann mich für eine Position stark machen. Ich will mich nicht nach vier Jahren fragen, was ich jetzt eigentlich gemacht habe.
Was sind denn konkrete Ziele, die Sie sich gesetzt haben?
Als Leipziger ist meine oberste Priorität immer Leipzig. Ich werde weiterhin im Verteidigungsausschuss bleiben. Wir haben in Leipzig die Unteroffiziersschule der Bundeswehr, ich will mich dafür einsetzen diesen Standort weiter zu stärken. Ein Kernthema für mich ist auch der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter. Der Antrag dafür hat es bisher nicht durch den Bundesrat geschafft, da werde ich weiter dranbleiben. Und ich möchte Leipzig als Sport- und Wirtschaftsstandort stärken. Das sind meine persönlichen Schwerpunkte, ansonsten gibt es natürlich das Parteiprogramm der CDU.
Laut dem Parteiprogramm der CDU ist das Ziel für Klimaneutralität 2045. Viele Wissenschaftler*innen halten das für zu spät und fordern bereits 2035 Klimaneutralität. Was ist Ihre Meinung dazu?
Man muss immer mit den Gegebenheiten leben. Das Ziel 2045 ist meiner Meinung nach schon ein klares Bekenntnis. Bis dahin haben wir konkret geplant und dieses Ziel jetzt zehn Jahre nach vorne zu verschieben halte ich für falsch, denn man muss die Klimawende auch gesellschaftlich und wirtschaftlich vertreten können – es sind alles Kompromisse. Ich nehme natürlich auch die Stimmen aus den Kraftwerken der Lausitz oder dem Leipziger Revier wahr, die um ihre Arbeitsplätze besorgt sind. Mit Kollegen habe ich einen Vorschlag ausgearbeitet, wie man die grüne Null umsetzen kann. Der sieht vor, alle klimaschädlichen Subventionen wegfallen zu lassen und stattdessen Klima-Innovationen zu fördern. Durch den kontinuierlich steigenden CO2-Preis lohnen sich emissionsarme Technologien und Produkte bereits lange vor 2045. Das wurde auch gut aufgenommen. Ich glaube, dass wir mit unserem Programm auf einem guten Weg sind. Um auch das zivilgesellschaftliche Engagement in diesem Bereich sichtbar zu machen, habe ich die Forderungen der Initiative German Zero unterzeichnet.
Wie bewerten Sie als Radsportler denn die Verkehrspolitik in Deutschland?
Auch da sollte man nicht alles schwarzmalen. Die Radverkehrsstrecken sind deutlich ausgebaut wurden. Gerade durch Corona hat die Fahrradnutzung extrem zugenommen und darauf muss die Politik natürlich reagieren. Mir ist vor allem wichtig, dass für Fahrräder Verkehrssicherheit hergestellt wird und Unfälle vermieden werden. Außerhalb des Fahrrads würde ich mir auch wünschen, dass der ÖPNV deutlich preiswerter wird. Damit würde man den Autoverkehr ohne Zwang reduzieren. Ob es da wirklich Verbote braucht, weiß ich nicht. In Städten wie Leipzig verzichten schon viele rein aus Zeitgründen auf das Auto.
Was sind Ihrer Meinung nach konkrete Probleme der aktuellen Klimapolitik?
Das sind zwei verschiedene, das eine ist die globale Regulierung und das andere fängt im eigenen Kopf an. Ich esse wenig Fleisch, fahre viel Fahrrad und Zug und fliege wenig. Wenn das jeder so machen würde, dann wären wir schon auf einem guten Weg. Das in die Köpfe zu bekommen, sehe ich aktuell noch als Problem und das muss man als Politiker auch vorleben. Zum anderen ist Klimaschutz eine weltweite Aufgabe und solange beispielsweise in China jedes Jahr neue Kraftwerke gebaut werden, kann Deutschland allein auch keinen großen Unterschied machen. Das ist natürlich kein Grund, dann gar nichts zu machen. Aber die globale Diskussion, in der wirtschaftliche Interessen eine große Rolle spielen, stelle ich mir aktuell noch am schwierigsten vor.
Bafög ist für viele Studierende ein großes Thema. Gerade in der Pandemie sind Forderungen nach einer Reform beziehungsweise einer Öffnung des Bafögs für alle Studierenden lauter geworden. Stimmen Sie dieser Forderung zu?
Jein. Ich empfinde das aktuelle Bafög als Ungerechtigkeit, aber natürlich muss das Ganze auch bezahlt werden. Grundsätzlich bin ich aber dieser Forderung nicht abgeneigt.
Der ehemalige Präsident des Verfassungsschutzes und CDU Direktkandidat in Thüringen Hans-Georg Maaßen hat in einem Interview mit TV Berlin Gesinnungstests für Tagesschau Mitarbeitende gefordert. Das werteten viele als groben Angriff auf die Pressefreiheit. Wie stehen Sie dazu?
Ich sage mal so, er hat auf jeden Fall sein Ziel erreicht: Jeder spricht über ihn. Man sollte sich da immer fragen, warum Leute so einen Aufschlag machen. Ich bin der Meinung, dass wir Pressefreiheit haben. Und zur Person Maaßen: Ich kenne ihn nicht persönlich, er ist Mitglied der CDU und letztendlich muss die Partei entscheiden, wie man mit ihm verfährt. Ich hätte ihn nicht in Thüringen aufgestellt. Ich bin der Meinung, dass die Partei das aushalten muss. Wenn er aber zu weit aus den Grenzen fällt, muss die Partei den Mut haben ihn auszuschließen. Jeden Tag eine Maaßen-Debatte zu führen, jubelt diesen Menschen viel zu sehr hoch.
Während der Pandemie haben sich immer wieder Extreme der politischen Lager gezeigt. Wo sehen Sie denn aktuell die größte Bedrohung für unsere Demokratie?
Die größte Bedrohung sehe ich nicht in einem politischen Extrem, sondern in der Spaltung der Gesellschaft. Ich bin ein Mensch, der immer den Ausgleich sucht. Jeder kann wählen wen, er möchte, aber es muss trotzdem ein sachlicher Dialog zwischen den Positionen möglich sein. Ich sehe auch die AfD nicht als meine persönlichen Feinde an. Diese Partei hat meiner Meinung nach politisch ein Rad ab und gehört in kein Parlament, aber ich möchte trotzdem sachlich mit ihnen diskutieren, denn nur so kann man sie auch in ihren Aussagen überführen. Natürlich sind Links- und Rechtsextremismus eine Gefahr, der man nur begegnen kann, indem man rausgeht und mit den Leuten spricht.
Sowohl bei der Bundestagswahl 2017 als auch bei den sächsischen Landtagswahlen 2019 kam der zweitgrößte Anteil an AfD Stimmen von ehemaligen CDU-Wähler*innen. Haben Sie Angst, auch bei dieser Wahl wieder Stammwähler*innen an die AfD zu verlieren?
Angst habe ich nicht. Die AfD ist eine Partei, die sich rechts der CDU gegründet hat. Da ist klar, dass dann nicht sonderlich viele grüne Wähler zu ihr wechseln. Ich bin ein ergebnisorientierter Mensch und wenn Sie bei den Kandidaten der AfD mal die politische Bilanz abfragen, glaube ich, dass diese eher nüchtern aussieht. Ich hoffe, dass wir mit unserer Arbeit, die wir die letzten Jahre gemacht haben, wieder einige Stimmen zurückgewinnen – der Wahlkampf fängt nicht erst jetzt an, er ist für mich die letzten vier Jahre gelaufen.
Was ist Ihre größte Stärke gegenüber den anderen Kandidierenden im Wahlkreis?
Meine größte Stärke ist, dass ich mich nicht als Politiker fühle, sondern als Volksvertreter. Ich bin bürgernah und möchte die Leute hier vertreten, deswegen antworte ich auch jedem der sich bei uns im Büro mit einem Anliegen oder Kritik meldet. Und es freut mich, dass sich das mittlerweile auch rumgesprochen hat. Außerdem gehe ich davon aus, dass die CDU wieder an der Regierung beteiligt sein wird und dann ist es natürlich einfacher, Anliegen der Bevölkerung umzusetzen als in der Opposition.
Foto: Tobias Koch
luhze hat alle Direktkandidierenden zweimal kontaktiert. Paula Piechotta, Peter Jess und Siegbert Droese haben uns keine oder nur verspätet Termine vorgeschlagen, weshalb mit ihnen keine Gespräche stattfinden konnten.
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