• Menü
  • Kultur
  • Oh du schöne Kunstfreiheit

    Das Projekt Grand Beauty Salon ist ein Raum für Gespräche zwischen Pinseln, Lockenstab und Fotohintergrund. Die Idee: Füreinander sorgen und dabei über Politik und Gesellschaft reflektieren.

    Während die Schönheitsexpertin Rawan meine Augenbrauen von „süß zu sexy“ stylt, erzählt sie von ihrem Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst und dass sie eigentlich Bildhauerin ist. Dann sieht sie mir tief in die Augen und zückt die Lidschattenpalette. „Grün“, sagt sie sehr bestimmt.
    Rawan ist ehrenamtliche Make-Up-Stylistin für das Projekt Grand Beauty Salon, das an diesem Tag zu Gast ist beim Sommerfest der Galerie für zeitgenössische Kunst (GfzK).

    Die Idee stammt aus der Feder von Frauke Frech, einer bildenden und Performancekünstlerin aus Leipzig. „Ich habe früher viel zu Grenzen gearbeitet“, erzählt die 39-Jährige. Die formale und konzeptuelle Arbeit war allerdings unbefriedigend, sie wollte stattdessen „Realität gestalten“. Dafür reiste sie anschließend für ihr Projekt „Mein ganz privates Deutschland“ an Orte in ihrem Herkunftsland, um es besser kennenzulernen. In Augsburg lernte sie 2014 in einer Geflüchtetenunterkunft eine Gruppe Menschen kennen, die nicht arbeiten durften, sich aber alle in einer Weise mit Schönheit auskannten – Frech nennt sie „Beauty Experts“. Sie beschloss, im Schutz der Kunstfreiheit Räume zu ermöglichen, in denen die Geflüchteten Andere auf Spendenbasis schminken und stylen konnten. 2018 hat sie das Konzept in Leipzig aufgezogen, neben ihr sind etwa acht andere Teammitglieder mit dabei. Teilnehmer*innen und Expert*innen sollen ins Gespräch kommen. „Sie kreiert sozusagen soziale Skulpturen mit Teilhabe“, nennt es Arne Schmitt. Der Fotograf kennt Frech seit zehn Jahren und fotografiert auf Veranstaltungen des Grand Beauty Salon. Das Ziel ist, so fühlt es sich an, vor allem Fürsorge füreinander und Self-Care. Ob sie auch einander schönheitsbehandeln? „Viel zu selten eigentlich“, sagt Frech. „Das müssen wir bald mal wieder tun.“

    Die Vielschichtigkeit des Projekts lässt auch eine politische Perspektive nicht außer Acht. Im Grand Beauty Salon hat jede*r dieselbe Macht des Mitgestaltens, außerhalb kommt man nicht umhin, den Wunsch nach Demokratie und Begegnung zu spüren. Frech spricht viel von „offenen Räumen, in denen ausgehandelt wird“, in denen Dinge „auf den Tisch kommen“. Dazu gehört auch der Umgang und die Konfrontation mit reproduzierten Stereotypen, erzählt Frech. Nur so könne sich die Gesellschaft verändern. Einen festen Raum für das Projekt gibt es allerdings bisher nicht. Immer wieder ist sie in Institutionen zu Gast, wie an diesem Tag in der GfzK. „Offiziell läuft das unter ‚integrative Maßnahme‘“, sagt die Künstlerin. Sie hofft aktuell, Fördergelder genehmigt zu bekommen, die eine feste Räumlichkeit für ihren Salon möglich machen würden. Dann wäre es etwa auch möglich, Frauen mit Kopftuch einen Schutzraum zu geben, in dem sie ihr Kopftuch ablegen und einander stylen können. Im Moment sind zwei weitere Veranstaltungen in Planung: Mitte September können sich Männer mit Haarproblemen im Grassi-Museum für Bildende Künste beraten lassen und über Männlichkeiten ins Gespräch kommen. In der Woche darauf gibt es ein Angebot in Paunsdorf für Mütter, zum Verwöhnen-Lassen und Austauschen.

    Meine Stylistin Rawan hat ihr Werk an meinem Gesicht beinahe abgeschlossen, und erklärt mir, wie meine Gesichtsform („rund“) und meine Brillenform („auch rund“) mit Make-Up zu kombinieren ist. Sie hofft, dass ihre Aufenthaltsgenehmigung verlängert wird, sonst muss sie womöglich nach Holland zu ihrer Familie. Nach Syrien zurückzukehren ist noch keine Option.

    Foto: Arne Schmitt

    Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.