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  • Macker, macht die Mukke leiser!

    Kolumnistin Greta bemerkt, wie trotz DeutschrapMeToo immer noch gerne weggeschaut wird und Tätern weiterhin eine Plattform geboten wird.

    Ich und ein paar Freund*innen befinden uns auf dem Nulldreinull. Auf einem matschigen Acker in der Nähe von Berlin. Es ist die zweite Ausgabe eines Deutschrap Festivals, organisiert von einem ominösen Kollektiv deren Selbstverständnis mit „Love and Peace“ überschrieben ist.

    Uns fällt schnell auf, dass der Besuch dieses Festivals im Rollstuhl unmöglich wäre, die Toiletten einen zehnminütigen Gang entfernt sind und es kein Awarenessteam, also keine Ansprechpersonen für übergriffige Situationen gibt. Willkommen im Land der (cis, hetero und able-bodied) Macker!

    An diesem Wochenende sehen wir viele davon, vor und auf der Bühne. Von insgesamt 65 Interpret*innen, die hier rappen, sind ganze fünf weiblich. Nur eine von ihnen darf auf der Mainstage auftreten und DeutschrapMeToo wird mit keinem Satz erwähnt. Die meiste Stagetime bekommen FLINTA* hier in Form von misogynen Beleidigungen in den Texten einiger Rapper. Bislang hielt mich das nicht ab die Musik trotzdem zu hören. Ich mag das Vorurteil nicht, dass Rap an sich sexistisch sei. Das kommt meistens von Menschen, die sich hinter vorgehaltener Hand über den Slang lustig machen. Genauso lächerlich finde ich es aber, wie beinahe konservativ an sexistischen Lines festgehalten wird und bekannte Vergewaltiger unter dem Alibi der Kunstfreiheit weiterhin rappen können, was sie wollen. Hier erlebe ich live, wer das möglich macht: Macker, die es herzlich wenig juckt, was ihre liebsten Rapper privat treiben.

    Das Foto zeigt Greta Ridders auf einem Freisitz in einer Straße am Abend.

    Kolumnistin Greta wünscht sich für 2022 ein reines FLINTA* Rapfestival.

    Apropos: Wir stehen immer noch im Matsch. Unsere Nachbarn spielen auf ihrer Box überlaut den Song eines Rappers, der eine Frau unter Drogen zu Sex gedrängt und dabei gefilmt hat. Aus diesem Grund wurde er auch vom Festival Lineup gestrichen. Als wir die Gruppe darauf hinweisen, schauen sie kurz bedrückt, sind sich dann aber einig, dass man Kunst vom Künstler trennen sollte.

    Yin Kalle heißt der Vergewaltiger, von dem hier die Rede ist. Er rappt viel über Drogen und Party. Bis vor einigen Wochen hatte ich einige seiner Songs in meinen Playlists. Als im Zuge von DeutschrapMeToo dann Chats veröffentlicht wurden, die zeigten, dass Yin Kalle selbst Täter ist, war für mich klar: So einen Künstler unterstütze ich nicht mehr, indem ich seine Songs streame. Allerspätestens an diesem Punkt entblößen sich die bis dahin tolerierten, sexistischen Sprüche als zynisches Wegschauen einer ganzen Gesellschaft.

    Umso dankbarer war ich auch, als das Nulldreinull bekannt gab, Yin Kalle unter diesen Umständen nicht mehr auftreten zu lassen. In den Kommentaren zu dem Statement finde ich viele cis Männer, die sich darüber aufregten, dass nun jeder ihrer Lieblingsrapper „gecancelt“ werde. Oh, wenn das nur so wäre, die Deutschrap Szene wäre schon längst eine feministische Utopie. Doch stattdessen machen die meisten Künstler nach fadenscheinigen Statements einfach da weiter, wo sie aufgehört haben, denn sie können sich sicher sein, dass ihre täterschützenden Fans sie weiter feiern werden.

    Musiker*innen, die sich mit Opfern solidarisieren, werden bedroht. Negatiiv OG, der als Ersatz für Yin Kalle auftritt, tweetet, dass er die Anwält*innenkosten für das Opfer von Yin Kalle übernehmen werde. Als Reaktion fordern ihn die 65Goonz, ein Act, auf den sich hier viele das ganze Wochenende über freuen, zum eins gegen eins auf der Mainstage heraus, weil man sowas unter Kollegen nicht mache. Seitens des Festivals keinerlei Reaktion – das ist also mit „Love and Peace“ Politik gemeint.

    Später in der Crowd bei meiner Lieblingsrapperin Layla mache ich dann endlich das, wofür ich überhaupt aufs Festival gekommen bin: ich habe einfach Spaß, zusammen mit anderen FLINTA*. Im Moshpit (wohlgemerkt vor der kleinen Stage) finden wir also endlich einen mackerfreien Safespace – wenn auch nur einen Act lang.

    Fotos: Carla Drescher, Carla Wemhöhner

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