Was bleibt, wenn wir gehen
Ein Kinogang in „Supernova“ lohnt sich allein schon dafür, um für Colin Firth und Stanley Tucci als altes Ehepaar zu schwärmen. Die Handlung bleibt dabei leider auf der Strecke.
Sam (Colin Firth) und Tusker (Stanley Tucci) sind seit 20 Jahren ein Paar. Doch seit bei Tusker eine frühe Form der Demenz diagnostiziert wurde, hat sich ihr gemeinsames Leben verändert. Auf einem Roadtrip durch den Norden Englands wollen sie noch einmal Orte aus ihrer Vergangenheit sowie Freund*innen und Familie besuchen. Dabei merken sie, dass sie unterschiedlich in die Zukunft blicken.
„Supernova“ ist kein Alzheimer-Film im klassischen Sinne. Die Krankheit ist vielleicht Ausgangspunkt der Geschichte, steht aber keinesfalls im Mittelpunkt. Wir sehen nicht den Moment, in dem Tusker von seiner Diagnose erfährt, erleben nicht den Schock mit. Stattdessen zeigt der Film zwei Menschen, die sich bereits mehr oder weniger mit der Diagnose arrangiert haben. Dabei liegen Komödie und Tragödie nah beieinander: Tusker möchte nicht, dass man um ihn trauert, während er noch lebt, was Sam schwerfällt. Gleichzeitig war es noch nie so schön, einem Ehepaar anderthalb Stunden lang dabei zuzusehen, wie sie sich liebevoll zanken – etwa darüber, dass Sam zu langsam fährt, oder um Platz in dem Einzelbett, in dem sie gemeinsam schlafen, als sie Sams Schwester besuchen.
Mit ihrem Wohnmobil tuckern Sam und Tusker durch wunderschöne Landschaften, ab und zu halten sie an, stehen beinahe andächtig da und erinnern sich an ihre gemeinsame Vergangenheit. Viel anderes passiert in „Supernova“ eigentlich nicht. Zum Ende hin nimmt der Film an Fahrt auf. Bei diesem Showdown entzündet sich das Pulverfass, in großen Streits und dramatischen Reden, in denen die Schauspieler noch mal zeigen, was sie alles können (die großartige Schauspielleistung von Tucci und Firth sei hier erwähnt, aber von den beiden erwartet man ja auch gar nichts anderes mehr). Dabei haben sie es geschafft, zumindest mir Tränen in die Augen zu treiben, etwa als Sam eine von Tusker verfasste Tischrede vorliest.
Dennoch: Die Geschichte hätte auch für einen Kurzfilm gereicht. Die Konsequenzen daraus haben mich gespalten zurückgelassen. Einerseits kann man „Supernova“ als Momentaufnahme auffassen. So ist der Film voll intimer Momente zwischen den beiden Hauptfiguren, zum Beispiel als sie nachts an einem See halten und mit einem Teleskop die Sterne beobachten. Aber allein durch die vielen subtilen Blicke und Gesten spielen Tucci und Firth die Liebenden authentisch und vertraut. Andererseits kann man den Filmemacher*innen auch vorwerfen, dass sie es sich leicht gemacht hätten, indem sie auf Gefühle statt auf Handlung gesetzt haben. Ich könnte dem Film die dünne Handlung verzeihen, wenn „Supernova“ dafür eine feine Charakterstudie zweier Menschen und ihrer Beziehung zueinander wäre. Aber dafür erfährt man viel zu wenig über Sam und Tusker. Wir lernen fast nichts über ihre Beziehung vor dem Roadtrip, wie sie sich kennengelernt, verliebt haben, welche Erfahrungen ihre Beziehung geprägt haben.
„Supernova“ ist ein Film über Trauer, den Tod und seine Akzeptanz – und darüber, was von uns bleibt, wenn wir gehen. Über das bekannte Mantra („Du weißt nie, wie viel Zeit du hast, leb dein Leben“) geht der Film nicht hinaus, aber es ist trotzdem gut, ab und an daran erinnert zu werden. Der Film ist emotional, mitunter auch herzzerreißend, wird dabei aber nicht melodramatisch oder klischeehaft. Ich hätte mir gewünscht, dass er sich noch mehr traut – entweder durch mehr Handlung oder mehr Charaktertiefe.
Fotos: British Broadcasting Corporation/ The British Film Institute
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