Sehnsüchtig schwelgen
Das MdbK Leipzig stellt Caspar David Friedrich im Dialog mit seinen Düsseldorfer Konkurrenten aus. Und fragt dabei nach Gründen für den schmerzlichen Abstieg des großen Malers.
Heute Inbegriff deutscher Romantik, war Caspar David Friedrich lange Zeit weit vom jetzigen Ikonenstatus entfernt. Noch zu Lebzeiten wurde der Dresdner Künstler von Düsseldorfer Romantikern verdrängt, später ist er ganz in Vergessenheit geraten. Eine Entwicklung die 1817 mit der Verschmähung durch die Kunstkritik einsetzte. Erst ab 1906, lange nach seinem Tod, schaffte es Friedrich dank der „Jahrhundertausstellung deutscher Kunst“ in Berlin aus den Untiefen der Kunstgeschichte heraus.
Das Museum der bildenden Künste Leipzig (MdbK) untersucht in der neuen Sonderausstellung diese eigenartige Dynamik, besonders die Verdrängung Friedrichs durch die Düsseldorfer Malerschule. Gefragt wird nach den ästhetischen Maßstäben sowie den (kultur-)geschichtlichen Umständen, die diesen langsamen Fall begründen. Somit lädt die Ausstellung Besucherinnen und Besucher zu einem vielschichtigen, intellektuellen Diskurs ein.
Friedrich war wohl ein kauziger Mensch. (Selbst-)Portraits zeigen ihn wahlweise mit wild gewachsenem, rotem Bart und Haar oder als zurückgezogenen Künstler hinter der Leinwand. Zwar in frühester Kindheit traumatisiert, galt er doch als geselliger und humorvoller Mensch. Einfach war er aber nie, davon berichten auch seine Bilder. Diese „Psychogramme einer zerrütteten Seele“, wie Jan Nicolaisen Kurator der Ausstellung sie nennt, zeugen von einer unfassbaren Emotionalität. Das Gefühl steht im Vordergrund, es wird bei Friedrich zur obersten Kategorie. „Des Künstlers Gefühl ist sein Gesetz“, so propagiert er selbst seine Maxime. Was eigenartig wirken mag, sobald man sich den Entstehungsprozess seiner Bilder vor Augen hält: Auf Basis eines exakten Naturstudiums folgt die baukastenartige Konstruktion einer somit ‚erfundenen‘ Landschaft. Ein beinahe verstörender Prozess, doch büßen seine Bilder dadurch nichts an Bedeutung ein. Dank ihrer ungewöhnlichen Subjektivität „löst Friedrich die Farbe vom Gegenstand ab“, berichtet der Direktor des MdbK, Stefan Weppelmann. . So gilt Friedrich heute zusammen mit dem britischen Maler William Turner als früher Wegbereiter der Abstraktion und der Moderne.
Diesen Wert verkannten die Zeitgenossen aber allesamt. Selbst Goethe, dem damalige Kunstpapst, missfielen Friedrichs Werke fundamental. Seine Kritik galt besonders der Leere, der Dunkelheit und der Schwermut in seinen Bildern. Besser entsprach dem populären Geschmack die leichte, Düsseldorfer Romantik. Sie bestach mit ihrer gefälligen ‚Burgenästhetik‘, die narrativen Elemente ermöglich(t)en ein einfaches Verständnis. Während die Rätselhaftigkeit und Mystik Friedrichs abschreckten, gewannen die Düsseldorfer Romantiker also immer mehr an Beliebtheit. Vorneweg Friedrichs großer Epigone Carl Friedrich Lessing, der schon zu Lebzeiten als legitimer Nachfolger wahrgenommen wurde.
Diesen Dualismus zwischen Friedrich und Düsseldorf, diesen Prozess des Anerkennungsverlustes und -gewinns dokumentieren rund 120 Gemälde und Zeichnungen im untersten Stockwerk des MdbK. Zusammen mit dem Kunstpalast Düsseldorf konzipiert, wurde die Ausstellung zuerst dort vorgestellt, um jetzt nach Leipzig zu ziehen. Missverständlicher Weise handelt es sich aber nicht um eine Wanderausstellung: Die ausgewählten Werke unterscheiden sich durch die verschiedenen Bestände der Museen grundlegend. Das Augenmerk in Leipzig liegt auf dem politischen Friedrich, verschiedenen Religiositäten der Romantik sowie holländischen Vorbildern.
Die Werke sind thematisch in Gruppen gehängt, von Atelierszenen, über Berglandschaften, sakrale Natur, Mittelalterromantik bis zu Küsten- und Schiffszenen. Dabei steht immer der Vergleich zwischen Friedrich und den Düsseldorfern im Vordergrund. Das ist auch die Besonderheit der Ausstellung: Es handelt sich nicht um die Schau eines einzigen Künstlers. Stattdessen versucht das MdbK den Künstler im Kontext seiner Zeit zu erfassen. Die „Offenheit und Rätselhaftigkeit seiner Kunst ist nicht bevormundend. Friedrich berührt den Betrachtenden, weil er nicht vorschreibt, was zu fühlen ist“, schwärmt Nicolaisen. Ähnlich will die Ausstellung selbst nicht bestimmen, wie sie zu erfahren ist: intellektuell reflektierend oder sehnsüchtig schwelgend. Wobei ja auch beides möglich ist!
Die Ausstellung ist noch bis zum 09.01.2022 zu sehen. Montags bleibt das MdbK geschlossen, ansonsten ist es jeden Tag geöffnet. Mittwochs von 12 bis 20 Uhr, die restlichen Tage von 10 bis 18 Uhr. Jeden ersten Mittwoch im Monat ist der Eintritt außerdem frei. Ermäßigt kostet der Eintritt 5 Euro, normal 10.
Fotos: Julian Meinke
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