Eröffnung des 64. Dok Leipzig
Am Montag wurde das Dok Leipzig vor ungefähr 700 Zuschauer*innen im Cinestar festlich eingeläutet. „Der Rhein fließt ins Mittelmeer“ von Offer Avnon feierte dabei seine Internationale Premiere.
Endlich wieder analog
Christoph Terhechte, seit 2020 Festivalleiter, freute sich, das diesjährige Dokumentar- und Animationsfilmfestival (Dok) zu eröffnen. Mit seinen Worten, „Letztes Jahr war es mein nulltes Festival und dieses Jahr ist es mein erstes“, spielte er auf die letzte Ausgabe des Dok an, die unter den Pandemiebedingungen in eingeschränkter hybrider Form stattfinden musste. Nun ist es wieder möglich, Gäste in die Kinos und die Filmschaffenden nach Leipzig einzuladen, so Terhechte. Gemeinsam mit Julia Weigl, eine freie Journalistin, die 2018 bis 2019 die Programmabteilung des Dok geleitet hat, führte er das Publikum durch das Abendprogramm.
Zwei Redebeiträge
Darunter gab es zunächst einen Redebeitrag von Skadi Jennicke, Bürgermeisterin und Beigeordnete für Kultur der Stadt Leipzig. Sie wies darauf hin, dass das Jahr 2021 ein Jubiläum darstelle, nämlich 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Die Zahl ergibt sich aus einem Edikt von Kaiser Konstanti, in dem im Jahr 321 jüdisches Leben auf heutigem deutschen Gebiet erstmals erwähnt wurde. Ein Thema, das sich auch im Eröffnungsfilm „Der Rhein fließt ins Mittelmeer“ und in der Dok-Programmsektion „Retrospektive“, die dieses Jahr unter dem Thema „Die Juden der Anderen“ steht, widerspiegle. In diesem Zuge erinnerte Jennicke, dass die Reproduktion von antisemitischem Denken in unserer Gesellschaft noch immer ein Problem darstelle, die eine klare Positionierung erfordere. Die Stadt Leipzig fördert das Dok mit mehr als einer halben Million Euro.
Nach der Bürgermeisterin trat Sebastian Hecht auf die Bühne. Er ist Geschäftsbereichsleiter für Kultur und Tourismus im Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus und vertrat die Staatsministerin Barbara Klepsch. Auch Hecht unterstrich die für das Dok bekannte Auseinandersetzung mit politischen Themen und knüpfte an Jennickes Ausführungen zu jüdischem Leben an: „Gedenken und Zukunft gehören immer zusammen.“ Er verwies außerdem auf die bahnbrechende Rolle von Dok Industry seit diesem Jahr: „Es ist die erste deutsche Branchenplattform, die analog und online arbeitet.“
Preisverleihungen
Schließlich gab Sebastian Hecht die Preisträgerin für den mit 5.000 Euro dotierten Sächsischen Preis für das beste Dokumentarfilmprojekt einer Regisseurin bekannt. Die iranische Filmemacherin Sarvnaz Alambeigi erhielt für ihr laufendes Projekt „Broken Flower“, das eine junge Frau aus Afghanistan porträtieren soll, den Preis des Staatsministeriums.
An diesem Abend wurde noch ein weiterer Preis verliehen. Das erste Mal in der Geschichte des Dok erhielt ein Filmemacher seine Silberne Taube – der zweithöchstdatierte Preis beim Dok – bereits zur Eröffnungsveranstaltung und nicht erst zur Preisverleihung. Der Grund: Vincent Monnikendam war bereits 1995 für seinen Film „Mother Dao, the Turtlelike“ mit der besagten Taube ausgezeichnet worden. Diese hatte ihn auf postalischem Wege aber nie erreicht. Nach 26 Jahren Wartezeit wurde er nun vor Ort von Christoph Terhechte geehrt. Monnikendams Film ist dieses Jahr in der Reihe „Re-Visionen“ zu sehen.
Die Internationale Premiere von „Der Rhein fließt ins Mittelmeer“
Als letztes trat der Regisseur des Eröffnungsfilms, Offer Avnon, vor das Mikrofon. Den Israeli hatte es als 30-Jährigen nach Deutschland verschlagen, wo er zehn Jahre seines Lebens verbrachte. Mittlerweile ist er wieder in seine Heimatstadt Haifa zurückgekehrt. Den Film über seine Begegnungen in Deutschland und Polen, den Geburtsort seines Vaters, bezeichnete Avnon als sein „life project“. Er erzählte von einem langen Weg der Fertigstellung des Films, von einer ersten Version, die ihn nicht zufrieden gestellt und vom Mutzuspruch anderer Menschen, den er gebraucht hatte. Zuletzt bedankte er sich bei Christoph Terhechte und dessen Mut, den Film eines unerfahrenen Filmemachers für die Festivaleröffnung zu wählen, der weder mit Budget, Reputation, noch mit jeglicher Art von Filmförderung glänzen könne.
Für Offer Avon ist das Endprodukt seines Lebensprojekts nun eine vollendete Geschichte, die so fließend erzählt ist, wie es ihr Titel vermuten lässt. „Der Rhein fließt ins Mittelmeer“ porträtiert verschiedene Menschen, die Avnon in Deutschland, Polen und Israel kennengelernt hat. Darunter Jüd*innen, welche bruchstückhafte Erinnerungen an die Shoah erzählen, eine junge Polin, die in Haifa als Freiwillige mit Holocaustüberlebenden arbeitet, ein deutscher Bundeswehrsoldat und Hobbysammler von Objekten aus dem Dritten Reich, ein Freund, Avnons eigener Vater. Zwischen diesen Persönlichkeiten reihen sich Aufnahmen von Orten, Landschaften und Objekten in die Szenenabfolge ein.
Im Anschluss zu der Eröffnungsveranstaltung im CineStar wurde „Der Rhein fließt ins Mittelmeer“ in der Osthalle des Leipziger Hauptbahnhofs gezeigt. Auch hier sprachen Christoph Terhechte und Offer Avnon vor dem Publikum über den Film. Im Rahmen des Dok Leipzig können bis Sonntag rund 170 Filme und Extended-Reality-Arbeiten aus 44 Ländern in neun verschiedenen Spielstätten besucht werden.
Fotos: Viktoria Conzelmann
Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.