Clubszene vor dem Abgrund
Die Freude Leipziger Feiernder sich wieder in Clubs dem Tanzen hinzugeben war von kurzer Dauer. Die Clubs sind wieder geschlossen – und sehen sich damit erneut in ihrer Existenz bedroht.
Fallen zwei festliche Ereignisse auf den selben Tag ist das häufig kein Grund zur Freude. Feiertage, die auf einen Sonntag fallen etwa – ärgerlich. Und wer will schon an Weihnachten den Geburtstag feiern? Die Leipziger Clubs traf dieses Schicksal am vergangenen Wochenende. Institut für Zukunft, Mjut und Elipamanoke waren gezwungen aus ihren lang herbeigesehnten Eröffnungen „Reopening-Closings“ zu machen. Statt einem Wiederaufblühen der Leipziger Clublandschaft gab es also einen 24-Stunden Frühling, gefolgt vom sofortigen Wintereinbruch.
Wie jede den Kulturbetrieb betreffende Hiobsbotschaft im letzten Jahr, findet auch diese hier ihren Ursprung im aktuellen Pandemiegeschehen. Die Schließungen sind Folge einer Änderung in der Coronaschutzverordnung, die der sächsische Landtag am 5. November in Anbetracht der sich insbesondere in Sachsen zuspitzenden epidemischen Lage verabschiedete. Die wichtigste neue Kennzahl ist die Hospitalisierungsrate, also die Zahl der Krankenhauseinweisungen in der Bevölkerung. Übersteigt diese die Vorwarnstufe, was in Sachsen schon länger der Fall ist, dürfen Veranstaltungsstätten zwar für Geimpfte und Genesene öffnen, müssen auf ihren Dancefloors jedoch Maskenpflicht und Mindestabstände durchsetzen. Für Clubs bedeutet das die erneute Schließung. „Clubkultur lässt sich mit den genannten Einschränkungen weder sinnvoll noch wirtschaftlich betreiben“, kommentiert der Dachverband sächsischer Clubs und Musikspielstätten LISA in einem Pressestatement. Unter Einhaltung der Mindestabstände würden in einige Clubs kaum mehr als ein paar dutzend Gäst*innen tanzen können. Darüber hinaus sei zusätzliches Personal zur Kontrolle der neuen Vorgaben kaum zu finden – schon bei den Wiedereröffnungen war Personalmangel ein Problem. Viele Mitarbeitende hätten sich in der Pandemie neue Jobs gesucht.
Die Stimmung in der Leipziger Clubszene ist am Tiefpunkt. „Es herrscht Endzeitstimmung“, sagt Cocny, Sprecherin des Elipamanoke. Lange habe man die Eröffnungen vorbereitet, von der Zeit gezeichnete Ecken des Clubs renoviert, Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Die neu angeheuerte und angelernte Belegschaft wurde mit dem Ende der Reopening-Closing Party nun wieder vor die Tür gesetzt. Den Clubs gehe es mit den neuen Regelungen an die Existenz. Sollte sich die Pandemie entwickeln wie vor einem Jahr, ist mit einer erneuten Öffnung der Clubs vor dem Frühjahr nicht zu rechnen. Gleichzeitig schieben die Clubs einen immer größer werdenden Schuldenberg vor sich her, der es unmöglich mache weitere Hilfskredite von Banken aufzunehmen. Und damit nicht genug. Dadurch, dass Öffnungen auf dem Papier möglich sind, können die Veranstalter*innen keine weiteren Überbrückungshilfen mehr beantragen. „Die lang abgewendete Pleitewelle in der Leipziger Clublandschaft steht nun unmittelbar vor der Tür“, sagt Cocny. „In den Clubs gab es am letzten Wochenende vor Schließung mehrere emotionale Zusammenbrüche von Mitarbeiter*innen und Artists.“
Lang stellte sich Leipziger Feiernden allein die Frage wann sie sich wieder in ihren Lieblingsclubs von Bässen durch die Nacht tragen lassen können. Nun, kurz vor Wintereinbruch, in dem jede Realitätsflucht willkommen ist, überwiegt das ob. Ohne politischen Willen Clubs weiterhin zu unterstützen könnte der Winter zur Eiszeit werden.
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