Im Mahlwerk der modernen Landwirtschaft
„Das Land meines Vaters“ beschreibt mit brutaler Ehrlichkeit die niederschmetternde Realität französischer Landwirte und entlarvt dabei das unmenschliche System der europäischen Agrarpolitik.
Ein Mann in Arbeitskleidung stapft erschöpft über ein brach liegendes Feld. Unheilverkündend spannt sich ein endlos grauer Himmel über die Szenerie. Der Mann scheint ziellos umherzuirren. Sein Gesicht ist von Verzweiflung gezeichnet.
Das französische Drama „Das Land meines Vaters“ (Originaltitel: „Au nom de la terre“) startet sehr beklemmend. Der Film, inspiriert vom Leben des Vaters des Regisseurs Edouard Bergeon, erzählt uns die Geschichte der Familie Jarjeau: Pierre (Guillaume Canet) kauft seinem Vater mithilfe eines Kredites den bäuerlichen Familienbetrieb ab. Doch obwohl ihm seine Frau Claire (Veerle Baetens) und seine beiden Kinder tatkräftig zur Seite stehen, droht dem Bauernhof bald der Bankrott. Angetrieben von der finanziellen Notlage, und dem missbilligenden Blick seines alten Herren zum Trotze, wagt Pierre eine letzte Investitionsoffensive, um durch Massenproduktion mit den großen Landwirtschaftsbetrieben mithalten zu können. Aber sein Vorhaben ist zum Scheitern verurteilt.
Nach der schwer im Magen liegenden Vorwegnahme beginnt die Geschichte erst einmal relativ seicht. Dank großartiger Naturaufnahmen und sympathischer Einblicke in das Familienleben auf dem Hof wähnt sich das Publikum wieder in Sicherheit. Die Investitionen in den Hof werden trotz neuer Verschuldung mit einem ausgelassenen Gartenfest gefeiert. Es verbreitet sich beinahe ein gewisser Optimismus; vielleicht geht es ja doch nur um ein interfamiliäres Konfliktchen, welches sich mit einem schönen, runden Happy End in Wohlgefallen auflösen wird.
Doch die dem französischen Film sonst eigene leicht verdauliche Nostalgie entsteht hier trotz Gesangseinlage der Chansonnière Barbara nur oberflächlich und geht schnell wieder in die Brüche. Über allen Versuchen Pierres, seiner aussichtslosen Situation zu entkommen, scheint ein böses Omen zu schweben. Der Film gelangt dann zu seinem angekündigten Bruch, als der vollautomatische, gerade erst neugebaute Hühnerstall Feuer fängt und die Familie Jarjeau nur noch zuschauen kann, wie die Flammen ihre Existenzgrundlage vernichten. Angesichts dieses Unglücks zerbricht Pierres Lebenswille. Sein psychischer Zustand verschlechtert sich rasant. Er lässt sich gehen, zieht sich ganz zurück, während seine Familie die Arbeit ohne ihn fortführen muss. Und gnadenlos fängt die Kamera diese Entwicklung ein, hält bis zum Schluss drauf, selbst in den Momenten, in denen man am liebsten wegschauen möchte.
Der Film geht nicht spurlos an einem vorbei. Er schafft es auf grandios unnachgiebige Art und Weise, das Publikum an der Verzweiflung und an der Hoffnungslosigkeit, unter der die Familie Jarjeau leidet, teilhaben zu lassen. Und obwohl die ganze Problematik des Films auf ein Einzelschicksal gemünzt ist, zeigt sich doch eines in aller Deutlichkeit: Die Geschichte Pierres ist die Geschichte vieler. Das wird sichtbar an den zermürbten Gesichtern seiner Kleinbauernkollegen aus den umliegenden Dörfern, wenn sie rauchend zusammenstehen, und das wird auch sichtbar an der Erscheinung des schmierigen Firmenvertreters, der Pierre zu dem Bau des gewaltigen Hühnerstalls überredet. Eigentlich hast du doch keine Wahl. Friss oder stirb, es gibt keine Alternative.
Aber was ist mit all den positiven Dingen? Was ist mit dem einfachen Landwirt, dem sein bescheidener Familienbetrieb und die Arbeit mit Mutter Erde genügen? Was bleibt am Ende übrig von dem idyllischen Bild, welches wir Zuschauer vom bäuerlichen Dasein haben? Nichts. Der Film nimmt es und schmeißt es volle Kanne gegen die Wand, wo es in tausend Teile zersplittert. Und wir können nur zusehen, möchten am liebsten wütend aufschreien, und bleiben doch stumm.
Fotos: Nord-Ouest Films
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