Endlich einmal ganz entspannt?
Kolumnistin Leonie macht gerade ein Urlaubssemester, um sich mehr Zeit für sich selbst zu nehmen und merkt dabei, dass es gar nicht so leicht ist, sich dem Druck zu entziehen.
Ich habe die letzten sechs Jahre ohne Unterbrechung studiert. Und da ich mit meinem Master auch noch einige Zeit brauchen werde, habe ich mich entschieden, dieses Semester einfach einmal eine Pause einzulegen. Ein Urlaubssemester. Ich dachte, es wäre schön, sich mal wieder ganz gezielt Zeit für sich selbst zu nehmen. Natürlich hatte ich auch in meinem Studium genug freie Zeit. Aber einfach nicht immer im Hinterkopf zu haben, dass es ja eigentlich noch eine Hausarbeit zu schreiben gäbe oder das bald wieder eine Klausur vor der Tür steht, erschien mir sehr verlockend.
Trotzdem habe ich mir erstmal einen Nebenjob gesucht. Ganz ohne Struktur hatte ich doch Angst, nur noch herumzuhängen und nichts hinzukriegen. Sich selbst Struktur zu geben, fällt mir verdammt schwer. Dabei ist es nicht so, dass ich nicht genug Ideen hätte, was ich mit dem Urlaubssemester anfangen könnte. Ich wollte reisen; alte Hobbies wiederbeleben; endlich mal wieder lesen, worauf ich wirklich Lust habe und nicht nur Texte fürs Studium; mich politisch engagieren und vieles mehr. Die Zeit hätte sich schon gefüllt, auch ohne Nebenjob. Jetzt stehe ich eher vor dem Problem, dass ich erkennen muss, auch im Urlaubssemester hat der Tag nicht mehr als 24 Stunden. Und zusätzlich will ich mir ja keinen Stress machen. Genau dafür habe ich mir ja die Pause genommen, um zu entspannen und schöne Dinge zu machen. Aber wie es eben so ist, wenn man sich vornimmt, entspannt zu sein, klappt es meistens erstrecht nicht.
Ich habe oft das Gefühl, die Zeit nicht optimal zu „nutzen“. Als klar wurde, dass ich wegen der Pandemie und auch weil ich Angst davor hatte, ganz allein im Ausland zu sein, erstmal nicht reisen würde, war ich sehr enttäuscht von mir selbst. Ich hatte mir das doch so schön ausgemalt. Dann sagte ich mir, dass ich dafür mehr Zeit für meine anderen Projekte hätte. Aber damit wuchs auch mein selbstgemachter Druck, viele von diesen Dingen „zu schaffen“.
Doch was heißt das eigentlich, die „Dinge zu schaffen“ oder die „Zeit sinnvoll zu nutzen“. Mir wird immer klarer, dass ich sehr in dem Gedanken des „produktiv sein zu müssen“, gefangen bin. Was spricht dagegen, einfach in den Tag hineinzuleben und zu gucken, was sich so ergibt. Wie oft hat man dafür schon die Möglichkeit. Und wenn man dann abends feststellt, dass der Tag eigentlich vor allem vertrödelt wurde und nicht viel passiert ist, was soll’s. Stattdessen überwiegt bei mir meistens die Enttäuschung und mir fallen tausend Dinge ein, die ich doch mal hätte machen können.
Und wenn ich mir mal bewusst Zeit dafür nehme, etwas zu machen, worauf ich wirklich Lust habe, bin ich meistens auch ratlos. Klar gibt es einige Sachen, die ich gerne mache. Aber was genau wäre jetzt in diesem Moment die „perfekte“ Tätigkeit für mich? Was würde mich gerade am glücklichsten machen? Die Antwort bleibe ich mir oft schuldig. Und das Gefühl gar nicht richtig zu wissen, was ich gerne will, kann sehr lähmend sein.
Mit der Zeit wird mir bewusst, was für einen großen Druck ich mir in diesen Punkten mache und ich damit gelassener umgehen sollte. Es ist eben doch sehr viel verlangt, immer genau zu wissen, was einem gut tut und das dann auch noch so zu machen. Was ist das Problem daran, „nur“ etwas zu machen, was gerade ganz in Ordnung ist und nicht perfekt. Ich glaube es ist besser, dann einfach irgendetwas zu machen, was einem einfällt, statt auf die erfüllende Tätigkeit überhaupt zu warten. Und vielleicht wird einem dabei klar, dass es richtig Spaß macht, was man gerade tut.
Früher bin ich solche Schwierigkeiten oft umgangen, indem ich mich mit Leuten getroffen habe. Das ist mit der pandemischen Lage natürlich viel schwieriger und fehlt mir sehr. Aber das Problem hat definitiv auch schon vorher existiert und vielleicht ist es gar nicht so schlecht damit stärker konfrontiert zu sein, um es zu ändern. Und auch wenn ich noch keine Lösung parat habe, wie ich mir weniger Druck machen kann, tut es mir gut, es mir einzugestehen und in Worte zu fassen. Wahrscheinlich geht es mehr Leuten genauso, als ich denke. Und wenn man darüber spricht, findet man vielleicht gemeinsam Ideen oder sogar Lösungen.
Ich habe noch die Hälfte meines Urlaubssemesters Zeit, das besser umzusetzen und mir hoffentlich endlich weniger Druck zu machen. Und wenn ich am Ende viele der vorgenommenen Dinge nicht geschafft habe, habe ich stattdessen vielleicht zumindest gelernt, das nicht als Makel zu empfinden.
Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.