Neue Methoden zur Hilfe der allerkleinsten Patient*innen
In Leipzig wurde ein neues Modell zur Lunge von Frühchen entwickelt. Auf lange Sicht kann dies zu neuen Therapien in der Neugeborenenmedizin führen.
Einatmen, Ausatmen. Für uns Erwachsenen ist das das natürlichste der Welt, einen Reflex, den wir seit unserer Geburt einsetzen. Die Atmung funktioniert dabei mit Druckunterschieden. Um einatmen zu können wird der Brustkorb mit Muskeln angehoben, so dass in der Lunge ein Unterdruck entsteht, in den Luft hineinfließt. Dann entspannen sich die Muskeln wieder, der Brustkorb zieht sich zusammen und die Luft strömt aus.
Doch für Frühchen ist dies nicht so einfach. Frühgeburten sind Entbindungen, die vor der 37. statt der üblichen 40. Schwangerschaftswoche stattfinden. Das ist nicht ungewöhnlich, laut des Universitätsklinikums Leipzig kamen in ihrer Einrichtung knapp elf Prozent der im Jahr 2020 zur Welt gekommenen Babys zu früh. Bei ihnen fehlt häufig eine überlebensnotwendige Funktion, die wir alle ohne Nachdenken durchführen: Frühgeborene können entweder gar nicht oder nur bedingt atmen. Auch sind ihre Lungen anfälliger für Viren und andere Erreger. „Organe wie die Lunge brauchen lange Zeit, bis sie sich vollständig entwickelt haben“, erklärt Mandy Laube, Leiterin des Forschungslabors für Neonatologie der Universität Leipzig. „Das Kind braucht die Atmung im Mutterleib technisch noch nicht und so ist diese auch noch nicht ausgereift.“
Die Reifung ist dabei ein wichtiger Prozess, denn die Lunge hat meist ihre finale Größe erreicht, doch ihre Atmungsunktionen noch nicht entwickelt. Das ist vergleichbar mit Äpfeln, die zwar schon groß, aber noch ungenießbar sind. Auch sie erfüllen ihren Zweck noch nicht. Das hängt vor allem mit ihrer Zusammensetzung zusammen. Einer fetalen Lunge fehlen noch gewisse Zellen und Bausteine, um die Atmung ausführen zu können. Dabei ist vor allem die Atemausdehnung, also der Prozess des Brustkorbhebens nicht möglich. Viele Babys müssen daher künstlich beatmet werden, um diese Funktionsschwäche zu kompensieren, kommen aber auch mit der künstlichen Hebung nicht zurecht. Die Folge ist, dass sie an dieser Atemnot, Erregern oder der Belastung durch künstliche Beatmung sterben.
Es müssen demnach Therapien gefunden werden, die die Probleme einer Frühchenlunge beheben können. Doch wie sind solche Therapien zu entwickeln und testen, ohne die Frühgeburten zu gefährden? Man benötigt möglichst genaue Modelle, die die Realität repräsentieren. Hier kommt das neue Modell ins Spiel, das Laubes Forschungsteam in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie entwickelt hat. „Im Labor wird mit Zellkulturen gearbeitet. Diese sind häufig jedoch nur 2-D-Modelle“, erklärt Laube, „das bedeutet, es ist nur eine Schicht von Zellen eines Zelltyps, die sich auch nur begrenzt ausbreiten kann. Eine Lunge hingegen ist ein komplexes Organ aus vielen Zelltypen und unterschiedlichen Schichten.“ Bewährte Methoden haben dort ihre Grenzen haben, wo ganze Organe abgebildet werden.
Es müsste eine mehrschichtige Zellkultur aufgebaut werden, die sich natürlich in mehrere Richtungen ausbreiten kann. „Genau das stellt unser 3-D-Modell dar“, stimmt Laube zu, „mit sogenannten Organoiden können wir die reale Lunge besser darstellen“. Diese organähnliche Struktur wiesen nachweislich Eigenschaften auf, die mit dem darzustellenden Organ korrelieren. Das sei ein Riesenvorteil. Die Funktion und Morphologie der Lunge kann so besser getestet werden. „Wir beobachten das ganze System anstatt nur einzelner Zelltypen“, sagt Laube. „Außerdem kann man Organiode durchgehend unter Beobachtung stellen und genau erkennen, wie sich das Gewebe über Zeit verhält, anstatt warten zu müssen, bis sich diese Gewebe in Testtieren entwickeln.“
Meist ist es nämlich so, dass das Gewebe nur zu bestimmten Zeitpunkten anzuschauen ist, die meist mit dem Tod des Versuchstieres einhergehen. Dabei ist die Organoid-Methode nicht neu. Das Bahnbrechende ist, dass es sich um ein Modell einer fetalen Lunge handelt. Diese Darstellung beinhaltet die Unterentwicklung auf zellulärer Ebene und unterscheidet sich zu erwachsenen Lungenmodellen. „Der nächste Schritt wird nun sein, Organoide aus menschlichen Stammzellen zu ziehen,“ sagt Laube. „Dann werden Tests durchgeführt und wenn auch an den humanen Organoiden eine Korrelation zur fetalen Lunge festgestellt werden kann, können Therapiemöglichkeiten für Frühchen an diesem Modell erprobt werden.“ Das hätte zum einen den Vorteil, schneller und deutlich sicherer in der kommenden Forschung zu arbeiten, und zum anderen könnte das Sterberisiko für Neugeborene in Zukunft drastisch gesenkt werden.
Fotos: UKL / Mandy Laube; UKL / Stefan Straube
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