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  • „… dass die Brücken begangen werden“

    Erfolgreiche Wissenschaftlerin und erste Rektorin der Universität Leipzig: Beate Schücking verlässt ihr Amt. In unserer Januarausgabe sprachen wir mit ihr über Schlüsselmomente ihrer Amstjahre.

    Nach elf Jahren gibt Beate Schücking ihr Amt als Rektorin der Universität Leipzig ab. Mit luhze-Redakteurin Greta Ridder sprach sie über Erfolge und Herausforderungen ihrer Amts­­zeit, was bis zur Übergabe im März an Eva Inés Obergfell noch zu tun ist und warf einen Blick in ihre Zukunft ohne Sechzig-Stunden-Woche.

    Wenn Sie sich entscheiden müssten: Leipzig oder Ihre Geburtsstadt Kassel?
    Von Kassel kenne ich nur den Kreißsaal, in dem ich geboren wurde. Aufgewachsen bin ich in den nordhessischen Wäldern in absoluter Waldeinsamkeit, des­wegen bin ich auch so ein Draußenmensch. Als Stadt ist mir Leipzig aber absolut ans Herz gewachsen und ich werde auch nach meiner Amtszeit hierbleiben und hoffentlich mehr Zeit für Streifzüge durch die Wälder haben.

    Was ist Ihr liebstes Gericht in der Mensa?
    Leider reicht bei mir die Zeit nur selten für ein Mittagessen in der Mensa. Meine Mittagspause sieht meistens so aus, dass ich mit der mitgebrachten Stulle vor dem Computer meine E-Mails lese. Wenn ich aber doch mal Zeit habe, stelle ich mir am liebsten einen leckeren Salat zusammen.

    Wie sieht bei Ihnen so ein typischer Tag als Rektorin aus?
    Ein typischer Tag beginnt bei mir früh und endet spät. In der Regel habe ich eine 60-Stunden-Woche. Was genau auf dem Plan steht, hängt davon ab, ob es an diesem Tag Sitzungen mit dem Rektorat oder dem Senat gibt oder ob es ein Tag ist, der sich mehr auf meine außenpolitischen Funktionen als Rektorin bezieht. Manchmal empfange ich beispielsweise Botschafter anderer Länder, die die Uni besuchen wollen.

    Beate Schücking steht vor einer Wand, neben ihr hängt ein gemälde auf dem die Universität vir etwa hundert Jahren zu sehen ist.

    Nach ihrer Amtszeit zieht es Beate Schücking aus dem Büro hinaus in die Natur.

    Was ist ein Ereignis aus Ihrer Amtszeit, das Ihnen besonders im Kopf geblieben ist?
    Die Demonstrationen gemein­sam mit den Studierenden gegen die Schrumpfungspläne der damali­gen Landes­regierung um die Uni Leipzig um wichtige Stellen zu bringen. Ich fand es wichtig, dass wir uns dagegen gewehrt haben, und letztendlich ist es uns gelungen, von einem Schrum­pfungskurs abzukom­men und stattdessen einen Wachs­tumskurs einzuschlagen. So schaff­ten wir es, die Stellen zu erhalten, die Drittmittel zu verdoppeln und das Engage­ment, welches es dafür von allen Seiten brauchte, erfüllt mich mit Stolz.

    Was waren Heraus­forde­run­gen Ihrer Amtszeit und was wird Ihre Nachfolgerin weiter beschäftigen?
    Zu Beginn meiner zweiten Amtszeit konnte ich noch nicht wissen, dass die Pandemie kommt. Im Zuge dessen sind Digitalisierungsstrategien be­son­ders wichtig geworden. Daneben sind andere Anliegen, wie die Nachwuchsförderung durch das Tenure-Track-Ver­fahren angelaufen, dessen Ziel es ist, fließende Übergänge zwischen Professur und wissen­schaftlichem Mittelbau zu schaf­­fen. Ich denke, dass dies sehr bedeutend für die Zukunft der Universität ist. Eine Aufgabe, an der ich bis zum letzten Tag meiner Amtszeit arbeiten werde, ist der Aufbau von Groß­forschungszentren in Sachsen. Dadurch wird eine Verstärkung der Ausrichtung auf Forschung möglich, von der die Universität sehr profitieren wird.

    Wie finden Sie es, dass mit Eva Inés Obergfell, nach Ihnen die zweite Frau Rektorin der Uni Leipzig wird?
    Ich freue mich sehr darüber! Ich würde mich nach wie vor als Feministin bezeichnen. Auch wenn die Generationen vor uns schon viel geleistet haben, stellen sich die Fragen den heutigen Studierenden anders, als sie sich für mich gestellt haben. Erfreulicher­weise ist der Anteil an Frauen unter den Professoren an der Uni Leipzig in den letzten Jahren auf 27 Prozent gestiegen und das wird sich weiter steigern, wenn Tenure Track sich durchsetzt und Nachwuchswis­sen­schaft­lerin­nen bessere Chan­cen bekom­men, akademische Kar­rieren einzu­schlagen. Vor allem wird es dann darum gehen, dass Frauen auch in den höheren Positionen einer wissenschaft­lichen Karrie­re zu finden sind.

    Was sind Ihre Erfahrungen im Kontakt mit Studierenden, insbesondere wenn diese Kritik am Rektorat üben?
    Ich möchte immer noch mehr Kontakt zu Studierenden haben! Dafür eignen sich dann Mit­tagessen in der Mensa eigent­lich gut. Vor der Pandemie herrsch­­­te noch ein direkterer Aus­tausch. Mit den dama­ligen Stura-Vertretern hatte ich ganz selbstverständlich Handy­num­mern ausgetauscht. Seit der Pandemie sind wir darauf angewiesen, dass sich Studie­rende mit ihren Anliegen an studentische Beauftragte wen­den, die dies dann wiederum im Krisenstab anbringen können. Ich freue mich aber generell über jede Gelegenheit, mit Studierenden reden zu können.

    Wie sieht es mit Protesten oder Besetzungen als Form der Kritikübung aus, wie Sie es 2015 erlebt haben, als die The­a­ter­wissenschaft gestrichen werden sollte?
    Natürlich war es beein­druckend, dass Mitglieder der Theater­wissenschaft hier im Vorraum campiert haben und ihren Anliegen sehr intensiv Ausdruck verliehen haben. Das hat auch mitgeholfen, dass wir am Ende nicht alle Stellen abgeben mussten. Im Kontakt mit der Landesregierung ist es immer ein Aushandeln. Wir haben jetzt zum Beispiel mehr Lehramts­studierende, weil sich der Bedarf an Lehrenden, den die Lan­des­regierung formuliert hat, erhöht hat. Aber auch mit dem heutigen Profil der Theaterwissenschaft bin ich sehr froh, dass wir diesen Studiengang erhalten konnten.

    Und wenn die Kritik von Dozierenden kommt, wie 2020 in den Diskussionen um den Zukunftsvertrag?
    Die Kritik bezog sich darauf, dass wir die Stellen, die wir über den Zukunftsvertrag bekom­men haben, als Stellen für Lehrkräfte für besondere Auf­gaben eingesetzt haben. Das war notwendig, um die Lehr­notwendigkeiten der Univer­sität abzudecken. Es lässt sich darüber streiten, wie attraktiv eine solche Stelle wirkt, die mehr Lehre beinhaltet, aber dafür eine Lebenszeitstelle ist. Es ist uns aber gut gelungen, die Stellen zu besetzen. Es ist normal, dass in Gesprächen diejenigen, die dem akade­mischen Mittelbau angehören, versuchen für ihre Statusgruppe das Bestmögliche rauszuholen und die größten Freiheiten zu haben. Klar habe ich dafür Verständnis, aber trotzdem mussten wir uns in der Mitte einigen.

    Wie viel Entscheidungsmacht haben Sie als Rektorin über­haupt, wenn Sie immer von Finanzierungen der Landes­regierung abhängig sind?
    Ich merke oft, dass sich nicht alle Studierenden mit den gesetzlichen Regelungen an einer Universität auseinander­setzen, wenn sie Kritik üben. Das finde ich ehrlich gesagt normal. Es ist meine Aufgabe, mich dafür einzusetzen, dass uns die Landesregierung aus­reichend unterstützt. Ich habe aber auch nach Innen nur begrenzte Einwirkungsmöglich­keiten, weil die Fakultäten viele Entschei­dungen selbst treffen. So zum Beispiel auch die Ver­teilung der Stellen im Zukunfts­vertrag auf die einzelnen Be­reiche. Das Rektorat entwirft grundsätzliche Vertei­lungs­­mus­ter und spricht mit den Deka­naten, aber die Einzel­entscheidungen fallen auf der Fakultätsebene.

    Was sind Ihre nächsten Vorhaben?
    Ich habe im Umfeld der Uni weiterhin einige Funktionen und hoffe, auch nach meiner Amtszeit noch etwas von meiner Erfahrung nutzen zu können. Darüber hinaus bin ich immer noch Medizinerin und werde mich wieder Büchern widmen, die schon länger geplant, aber noch nicht fertig geschrieben sind. Gerade in den neuen Hebammen­studien­gän­gen wird noch entsprechende Literatur gebraucht. Ich werde aber sicher nicht mehr sechzig Stun­den pro Woche arbeiten und in meiner Freizeit mehr in der Natur sein, um zu wandern oder zu reiten.

    Was an Ihrem Amt wird Ihnen fehlen?
    Besonders fehlen wird mir die Zusammenarbeit mit meinem Team des Rektorats. Gleiches gilt für den Kontakt zu De­kanaten, Fakultäten und Stu­dierenden. Die größte Umstel­lung wird es sicherlich, aus die­ser Teamphase zu gehen und erst­mal allein unterwegs zu sein.

    Was wollen Sie Ihrer Nach­folgerin mit auf den Weg geben?
    Die Universität Leipzig zu leiten, ist eine anspruchsvolle Aufgabe, da man sich sowohl Ebenen der Kommunikation innerhalb der Uni als auch der Interaktion mit der Politik widmen muss. Mein Wunsch ist es, die Wahr­nehmung als Universität im Aufwind zu nutzen. Ich hoffe, dass die Brücken in die Zukunft, die wir in den letzten Jahren gebaut haben, möglichst intensiv begangen werden.

    Fotos: Swen Reichhold / Universität Leipzig, SUK; Greta Ridder

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