Hundesitten auf Teilzeit
So ein Hund in der WG wäre doch cool, oder? Ein Kumpel für alle Mitbewohnis zum Non-Stop-Kuscheln. In der Vorstellung? Super! Die Realität? Hat Kolumnistin Annika teils ein wenig verzweifeln lassen.
Ich hatte noch nie einen Hund, mag sie aber eigentlich trotzdem ganz gern. Zumindest flippt meine Stimme immer eine Oktave höher, wenn ich mit ihnen spreche. Das ist doch bestimmt ein Indiz dafür.
Hunde können uns aus unserem tristen Alltag herausholen. Schon oft habe ich mich gefragt, was wohl hinter den großen, unschuldigen Augen so abgeht. Zwar sind sie Säuger und somit uns Menschen ähnlich. Der große Unterschied bleibt aber immer noch unser menschlicher Geist, der dazu führt, dass wir ständig über ALLES nachdenken müssen. Ich glaube, dass kein Hund zum Overthinking neigt.
Dazu hatte ich in den letzten Wochen allerdings auch keine Zeit. Stattdessen hatte ich alle Hände voll zu tun, nachdem ich mich kurzerhand dazu bereit erklärt hatte, auf die Vierbeiner meiner Freund*innen aufzupassen. Innerlich malte ich mir schon aus, wie ich früh gemütlich eingekuschelt mit meinen neuen Best Buddies aufwache, um dann einen ausgiebigen Spaziergang in der Natur zu machen. Natürlich zu einer humanen Zeit. Pustekuchen.
In der ersten Woche war Hera bei mir, ein mittelgroßes, braunschwarzes Energiebündel. Ich glaube, ich habe sie nie schlafen sehen. Wenn ich wach wurde, war sie es schon lange, früh um acht. Bereit, den Park auseinanderzunehmen. Beim Gassigehen war ich dann viel damit beschäftigt, von rechts nach links zu rennen, gleichzeitig die Kotbeutel aus der Tasche zu kramen und sie zu beruhigen, wenn andere Hunde kamen. Lange böse konnte ich ihr aber auch nicht sein, weil sie sich beim Workouten nämlich immer auf mich setzte, um mir eine Tatze auf die Brust zu stellen, ganz nach dem Motto: „Hör auf, Annika, du musst das nicht tun.“
Mich erinnern immer noch die langen Kratzer im Parkett an die Zeit mit ihr. Jedes Mal, wenn sie durch unseren Flur gerannt ist, konnte ich förmlich spüren, wie sich ihre langen Krallen in das Holz gruben. Vor allem wenn sie hinter ihrem geliebten Tennisball her war, den sie mir immer voll mit Spucke vor die Füße fallen ließ. Also wirklich immer, manchmal auch auf dem Klo.
Trotzdem war ich angefixt davon, Hundemutti zu sein. Also nahm ich etwas später Emmi zu mir. Das komplette Gegenteil von Hera. Eine winzig kleine Wurst, im Gesicht ein bisschen was von Waschbär oder Fuchs. In der zweiten Nacht wurde ich nachts um drei von einem Jaulen wach: Da musste wohl jemand dringend aufs Klo. Wie gelähmt schälte ich mich aus meiner Decke und zog mir die Jacke an. Am nächsten Morgen konnte ich mich nicht mehr richtig an den Spaziergang erinnern. Zum Glück hatte ich Emmi nicht einfach auf der Straße vergessen. Ansonsten war sie eigentlich sehr pflegeleicht, etwas gemütlicher und ruhiger unterwegs als die andere Fellnase. Mit Emmi lief alles irgendwie zu gut.
Nach ein paar Tagen warf ich mal einen Blick in das Zimmer von meinem Mitbewohner, der seit längerer Zeit nicht mehr da war. Beim Öffnen der Tür dachte ich, ich guck nicht richtig. Während ich noch damit beschäftigt war, nicht aus den Latschen zu kippen, kam Emmi angedackelt und setzte sich mit schiefem Kopf vor mich. Hinter ihr erstreckte sich ein Minenfeld aus kleinen Häufchen Kacke und Kotze. Da hatte wohl jemand einen nervösen Magen. Seufzend kramte ich Putzmittel und Lappen zusammen und versuchte das Malheur zu beseitigen, während Emmi schwanzwedelnd und hechelnd neben mir stand. Bereit für ein Leckerli. Die hatte ich nämlich an meiner Hose festgemacht. Mit Karabiner, in so einer richtigen Futtertasche. Da fehlt dann eigentlich auch nicht mehr viel zur Hundetrainerin, wenn ich es mir so überlege.
Mittlerweile ist die Wohnung wieder hundefrei. Es wird wohl aber nicht mehr lange dauern, bis eine nächste temporäre Adoption stattfindet. Die Betonung liegt auf temporär.
Fotos: Privat
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