Läuft da was?
Kolumnistin Leoni hinterfragt ihre Freundschaften, Bedürfnisse und weshalb Sexismus sie in ihrem Alltag immer wieder für dieselben zu verurteilen scheint.
Kürzlich fragte mich eine Freundin diese Frage und ich verstand sie nicht.
Wie meinst du das? ̶ Naja, hast du was mit dem?
Innerhalb des letzten halben Jahres haben sich meine Bedürfnisse Freund*innen gegenüber verändert. Ich war nie diese Person, die mit Leuten aus dem Freundeskreis besonders körperlich war. Ich bin Umarmerin, war ich schon immer, ich drücke gerne und lange. Zur Begrüßung, zum Verabschieden und zwischendurch. Aber wenn ich neben Freund*innen im Bett lag, Serien schaute, im Sommer am See lag, oder wenn’s mir schlecht ging und jemand mich tröstete – für mich war klar, das alles geht, ohne angefasst zu werden.
In meinem Kopf existierte seit jeher eine Grenze. Es gibt Menschen, mit denen ich körperlich bin, weil ich sie begehre, in sie verliebt bin, oder wir einander sexy finden. Und es gibt Freund*innen. Die sind mir mental sehr nah, teilen mit mir alles, was in ihnen vorgeht, aber mit denen schlafe ich nicht, mit denen schlafe ich ein. Freund*innen befriedigen Bedürfnisse und Partner*innen auch. Aber dabei kommen einige Fragen auf:
Warum verlangt man von Partner*innen so viel, und ist bei Freund*innen mit weniger zufrieden? Und warum setzt man sich selbst in einer Partnerschaft so unter Druck, aber ist in Freundschaften in der Regel sehr kulant, wenn es darum geht, füreinander da zu sein oder einander mal zu enttäuschen?
Inzwischen habe ich das Gefühl, dass bei mir die Grenzen verschwommen sind. Ich bin meinen Freund*innen gern nah und ich bin gern mit Partner*innen befreundet. Das eine schließt das andere nicht aus, vielmehr sollte es vereinbar sein.
Doch was passiert, wenn einem solche Fragen gestellt werden? Es gibt nach wie vor Leute, die Körperlichkeit und Freundschaften streng voneinander getrennt betrachten und das ist okay, jeder so wie er mag.
Aber wenn ich abends die Wohnung verlasse und am nächsten Morgen erst nach Hause komme, oder erzähle, dass ich letzte Woche Donnerstag sehr zufrieden in jemandes Armen eingeschlafen bin, der eine Freundin hat, die versteht, dass wir einfach „nur“ gern ein Bett teilen, stößt das teils auf Unverständnis.
Und auf einmal findet man sich in Situationen wieder, in denen man selbst hinterfragt, was man eigentlich macht, obwohl man währenddessen keinen Gedanken an ein „Mehr“ verschwendet hat.
Jemand, der mir letztes Jahr sehr nah war, hat mal zu mir gesagt, dass er findet, man sollte öfter mit seinen Freund*innen knutschen. Einfach weil Küssen ein menschliches Bedürfnis ist, bestätigend dafür, dass man jemanden sehr gern hat und sich in welcher Form auch immer zu ihm oder ihr hingezogen fühlt. Derselbe Jemand hat mir auch versucht zu erklären, warum es unfair ist, alles von einer Person zu erwarten, sie oder ihn dafür verantwortlich zu machen, dass man befriedigt, zufrieden und glücklich ist und dafür die Begrifflichkeit monogame Partnerschaft zu missbrauchen.
Falls du das liest, ich versteh‘s jetzt.
In letzter Zeit verbringe ich viel Zeit mit Menschen, die mir nah sind und denen ich nah sein will. Dabei geht es nicht darum, dass ich mit jedem*jeder meiner Freund*innen schlafen muss, ich kritisiere nur, dass gesellschaftliche Konventionen, die uns durch Sozialisation, familiäre Strukturen und Sexismus auferlegt worden sind, sogar Kuscheln zwischen Freund*innen sexualisieren, sobald diese nicht das gleiche Geschlecht haben.
Die Menschen, mit denen ich mich gut verstehe, sind zufällig Männer oder Frauen. Und wenn es Männer sind, fühle ich nicht automatisch ein sexuelles Interesse.
Ich hatte eine Schulfreundin, die nie mehr mit mir sprach, nachdem ihr Freund mir beim Kotzen hinter irgendein Vereinsheim die Haare zurückhielt und für mich meine Schwester anrief. Ich habe das nie verstanden und muss mittlerweile gestehen, vermutlich konnte sie nichts dafür. Nüchtern betrachtet hatte ihr Partner einer anderen Frau Aufmerksamkeit und Zuneigung geschenkt, das musste bestraft werden, anstatt kommuniziert.
Ich bin froh das Gefühl zu haben, dass sich all dieses Verurteilen freundschaftlicher Nähe und Zuneigungsbekundungen mittlerweile etwas auflöst ̶ zumindest in der Bubble, aus der heraus ich philosophiere.
Die Frage „Läuft da was?“, will ich in Zukunft mit „Alles läuft richtig“ beantworten, weil‘s die Wahrheit ist und keiner weiteren Nachfrage bedarf. Und mit meinen Freund*innen will ich weiterkuscheln. Und wenn’s nur ist, um über diese Nähe eine andere Distanz zu vergessen.
Do more of what makes you (both) happy, es muss nicht immer alles hinterfragt werden.
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