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  • Kooperation für die Menschen?

    In der Maiausgabe von luhze beschäftigten wir uns damit, dass sich der Immobilienkonzern Vonovia für von Wohnungslosigkeit Bedrohte engagiert.

    Wohnen ist ein Grundbedürfnis, ohne Woh­­­nung sind Menschen in ihrer Existenz gefährdet“, sagt Anke Matejka, Ge­schäftsführerin des Mieter­ver­eins Leipzig. Menschen, die aber beispielsweise in Obdachlosigkeit leben, sich in einer prekären Schuldensituation befinden, ei­nen Migrationshintergrund ha­ben oder gerade aus der Haft entlassen wurden, hätten Schwie­­rigkeiten aus eigener Kraft am Wohnungsmarkt eine Bleibe zu finden.

    Oberbürgermeister Burkhard Jung verspricht: „Wir als Stadt wollen dafür sorgen, dass alle Leipziger sicher wohnen können.“ Dafür hat er das Bündnis für Bezahlbares Wohnen ins Leben gerufen. Neben der Leipziger Wohnungsbaugesellschaft (LWB), dem Netzwerk Stadt für alle und dem Mieterverein Leipzig zählt auch der Immobilienkonzern Vonovia zu den Mit­gliedern. Im Januar schlossen die Stadt und Vonovia einen Kooperationsvertrag ab, um Menschen mit Marktschwierigkeiten zu einer Woh­nung zu verhelfen. Die Ko­operation ist zeitlich unbefristet. Die Stadt schlägt monatlich einige Haushalte aus der Ziel­gruppe, die sich dafür beworben haben, für das Projekt vor. Die endgültige Entscheidung, mit wem Vonovia einen Mietvertrag schließt, trifft das Unternehmen aber selbst. Dabei gebe es keine harten Ausschlusskriterien. „Wenn der Haushalt mitwirkt, kann das ganz einfach funktionieren“, sagt Matthias Wulff, Pressesprecher für Ostdeutschland bei Vonovia. „Wir haben der Stadt bisher zwölf Wohnungen angeboten. Direkt danach begann der Krieg in der Ukraine.“ Deshalb habe Vonovia es der Stadt offengelassen, die Wohnungen gegebenenfalls für Geflüchtete zu nutzen. Auch darüber hinaus helfe Vonovia dem Sozialamt bei der Wohnungsfindung für ukra­inische Geflüchtete. „Wir haben der Stadt ein Paket von zumeist sanierten Wohnungen bereitgestellt. Wir vermieten sie nicht auf dem freien Markt“, erklärt Wulff. Der durchschnittliche Qua­dratmeter-Mietpreis liege bei beiden Kooperationen bei 6,60 Euro. Eine Gegenleistung für sein soziales Engagement erhalte der Immobilienkonzern nicht. Wulff sagt, „für uns ist das Ausdruck unseres Verständnisses als Teil der Stadtgesellschaft.“

    Der Mieterverein Leipzig begrüßt die Kooperation mit Vonovia, um von Wohnungs­losigkeit bedrohten Menschen zu helfen. „Nicht jeder Vermieter ist bereit, Menschen mit Zugangsschwierigkeiten am Wohnungsmarkt ein Dach über dem Kopf anzubieten“, sagt Anke Matejka. Doch sie warnt davor, sich vom sozialen Engagement des Immobilienkonzerns über die vielen Pro­blemfelder und Streitpunkte in bestehenden Mietverhältnissen hinwegtäuschen zu lassen: „Seit Jahren streiten wir um Themen wie unklare und nicht nachvollziehbare Kostenumlagen in Betriebskostenabrechnungen, Mo­­­der­nisie­run­gen und nicht ge­rechtfertigten Mieterhöhungen, Problemen bei der Mängelbeseitigung und Mieter­höh­ungen im Rahmen der Ver­gleichsmiete“, berichtet Matejka. Mieter*innen bräuchten oft einen langen Atem, um sich dagegen zur Wehr zu setzen. „Hier sehen wir dringenden Handlungsbedarf des Konzerns“, sagt Matejka.

    Vonovia weist solche Vorwürfe von sich. „Unsere Betriebskostenabrechnungen sind trans­­parent und korrekt – das bestätigt unsere Kundenbefragung ebenso wie unzählige Gerichtsentscheidungen.“ Auftretende Män­­­gel würden durch unter­neh­mens­eigene Hand­werker*innen schnell und professionell beseitigt werden. Als börsennotiertes Unternehmen sei Vonovia den höchsten Transparenzforderungen ver­pflichtet. „Unsere Mieterhöhungen sind moderat und selbstverständlich gerechtfertigt“, stellt Wulff klar.

    Durch das Ankommen der Geflüchteten aus der Ukraine pausiert die Kooperation zwischen Vonovia und der Stadt Leipzig zurzeit. Tom Hübner, Abteilungsleiter Soziale Wohnhilfen bei der Stadt, erklärt: „Die Fortführung der Kooperation ist für Mai 2022 geplant.“

    Foto: Yannick M. Beierlein

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