„Wie geil sind bitte FLINTA*?“
Der feministische Barabend Vomens Bar im Leipziger Osten startete vor zwei Jahren coronabedingt einen Podcast. luhze-Redakteurin Leonie Beer sprach mit Moderatorin Pauline über das Projekt.
luhze: Was ist die Vomens Bar?
Pauline: Die Vomens Bar ist ein gewachsenes Projekt aus dem Leipziger Osten. Am Anfang waren wir ein offener FLINTA*-Treff. Das begann im Sommer 2018 und wurde seitdem einmal die Woche angeboten. Jede interessierte Person konnte dazustoßen. Wir haben uns immer Themen vorgenommen, bei denen sich jede Person einbringen konnte.
Woher kommt euer Name?
Der entstand mit den Barabenden, die wir dann bald ins Leben gerufen haben. Davor hießen wir Vomens United. Wieso weiß ich ehrlich gesagt nicht. Durch die Barabende und die Öffentlichkeit hat sich dann der Name Vomens Bar etabliert. Es gab immer Kritik an dem Namen, sowohl aus unseren Reihen als auch von Außenstehenden. Zu Recht, wie ich finde. Denn wir haben uns immer als ein inklusiver FLINTA*-Treff verstanden. Und obwohl unser Name mit v geschrieben wird, erinnert er eben an Women. Wir haben immer viel darüber diskutiert, was Frausein oder Weiblichkeit bedeutet, und inwiefern wir uns als feministische Subjekte davon angesprochen fühlen. Deswegen ist der Name irgendwie unpassend. Wir sind auch offen für neue Ideen. Aber sich umzubenennen, birgt auch die Gefahr, dass die Leute uns nicht als gleiche Gruppe wiedererkennen. Diese Diskussion ist noch offen.
Wie war dein erster Kontakt mit der Vomens Bar?
Bei meinem ersten Treffen ging es um Selbstbefriedigung. Ich kannte niemanden in der Gruppe. Und dann saßen da etwa 15 FLINTA* und haben über ihre Selbstbefriedigung geredet. Das war eine ganz besondere Erfahrung, weil es für mich ein sehr intimes Thema ist, aber gleichzeitig ist es auch so normal. Auch die Art, wie wir darüber geredet haben. Es war sehr offen. Und alle konnten mitreden, aber niemand musste.
Wie ging es dann weiter? Mit deinem Engagement, aber auch generell mit der Vomens Bar?
Wir haben irgendwann angefangen, Barabende auf Spendenbasis zu organisieren. Was wir dabei eingenommen haben, konnten wir in feministische und empowernde Projekte stecken. Einmal haben wir zum Beispiel im Sidekick im Westen einen Selbstverteidigungskurs gemacht. Irgendwann dachten wir uns, dass wir nicht nur ein Barabend sein wollen, bei dem die Leute für wenig Geld saufen. Stattdessen wollten wir feministischen Input geben. Aber eben nicht nur in dem Sinne, dass wir Leute weiterbilden, sondern vor allem, um FLINTA* eine Bühne zu bieten. Zum Beispiel, dass Musik gemacht wird oder eine feministische Lesung stattfindet. Und dann kam Corona.
Wie habt ihr die Vomens Bar während der Pandemie am Leben gehalten?
Corona hat uns schon sehr hineingegrätscht. Sowohl bezogen auf die Barabende, die dann natürlich nicht mehr stattfanden, als auch auf die wöchentlichen Treffen. Letztere haben wir erstmal online fortgeführt. Aber da hatte schnell niemand mehr Bock drauf, weil alle schon viele Onlinetreffen hatten. Dann kam Lotte auf Sphere Radio, einem neuen Online-Radiosender aus dem Leipziger Osten. (Anmerkung der Redaktion: Lotte ist neben Pauline die zweite Stimme des Podcasts bei der Vomensbar.) Das passte natürlich mega gut. So kam die Idee auf, eine Radiosendung zu produzieren. Einen Pöbelpodcast. Lotte und ich wollten das Konzept der Bar weiterführen, nur ohne Drinks. Die muss sich jede selber mixen, während sie lauscht. Aber wir wollten eben weiterhin FLINTA* eine Bühne bieten und ermutigen, mit Themen an die Öffentlichkeit zu gehen. Gerade Feminismus sollte die Pandemie nicht down bringen. Und jetzt haben wir schon 20 Folgen aufgenommen.
Was sind Inhalte des Podcasts und wie ist er aufgebaut?
Die Themen sind sehr vielfältig: von FLINTA*-DJ-Kollektiven über Awareness-Mitarbeitende bis zu Einzelpersonen, denen ein bestimmtes Thema auf dem Herzen liegt, über das sie gerne mal reden wollen. Dadurch wollten wir das Offene der Vomens Bar beibehalten. Manche Folgen haben wir auch zu zweit, also Lotte und ich, als Gespräch aufgenommen, zum Beispiel die Folge zu Alltagssexismus. Aber auch da haben wir im Vorfeld über Instagram gefragt, was FLINTA* unter Alltagssexismus verstehen und welche Situationen sie erlebt haben. Wir wollten nicht nur unsere subjektive Perspektive einbringen, sondern eher ein Sprachrohr bilden. Deshalb haben wir die Perspektiven als Sprachnachrichten in den Podcast eingebaut.
Ich glaube, dass es keine Folge gibt, wo wirklich nur wir beide sprechen. Zu dem Thema Mutterschaft haben wir außer Einleitung und Schluss gar nicht gesprochen. Da haben sich vier Personen über unterschiedliche Konzepte, die sie leben, ausgetauscht. Wie wir auf unsere Themen kommen, ist unterschiedlich. Manchmal bieten sich Erfahrungen aus dem Alltag an. Wir haben auch auf eigene Initiative Personen für ein Gespräch angefragt, die wir interessant fanden. Oder Personen haben uns geschrieben, dass es ein bestimmtes Thema gibt, worüber gesprochen werden sollte. Die Outcalling-Folge ist entstanden, weil Kritik für die Awareness-Folge an uns herangetragen wurde. Da wollten wir auch die Möglichkeit für eine andere Perspektive eröffnen. Es geht ja nicht um uns. Feministische Diskurse sind heterogen – und manchmal auch widersprüchlich.
Richtet ihr euch vor allem an FLINTA* oder denkst du, dass es gerade für cis Männer interessant sein kann, euch zu hören?
Ich würde es cool finden, wenn uns mehr Typen hören würden. Da können die auch noch was lernen. Ich glaube, für politisierte FLINTA* ist es eine ganz andere Art des Hörens. Vielleicht können auch weniger privilegierte Personen bei uns etwas lernen. Obwohl wir viel gar nicht genau erklären, sondern ein bestimmtes Wissen voraussetzen. Also für eine Person, die nicht im feministischen Diskurs drinsteckt, sind wir nicht so niedrigschwellig. Eine Kritik an uns selbst ist, dass wir ein weißes Bildungsbürgertum abbilden. Wir haben auch überlegt, wie wir das ändern können.
Jetzt wo die Pandemie quasi offiziell vorbei ist, werden die Barabende wieder stattfinden?
Ja! Die erste live Vomens Bar wird am 11. Juni im Helmut auf der Kohlgartenstraße stattfinden. Wie in prä corona times. Jetzt wird es eine FLINTA* and Queers only Bar sein. Personen, die auflegen, suchen wir gerade noch. Auch da ist der Call for participation offen für alle, die mal auf die Stage wollen.
Und der Podcast wird trotzdem weiter existieren?
Erstmal ist das der Plan. Es macht uns großen Spaß, also werden wir noch nicht damit aufhören. Für die nächsten vier Monate sind die Themen auch schon vergeben. Es ist auf jeden Fall öffentliches Interesse vorhanden.
Gibt es noch andere Projekte jenseits von Podcast und Barabend?
Seit Anfang des Jahres geben wir auch Empowerment-Workshops. Die finden an verschiedenen Orten in und außerhalb Leipzigs statt. Das ist ein cooles Ergebnis aus Vernetzungen mit anderen Projekten durch den Podcast. Bisher haben wir sehr gutes Feedback für die Workshops bekommen. Wir wollen vielleicht auch neue Workshops konzipieren, beispielsweise zu dem Thema Feminismus und heterosexuelle Beziehungen – ein sehr, sehr unberührtes feministisches Thema. Das ist auch als kontinuierlicheres Projekt gedacht. Das Schöne an den Workshops ist, dass die Leute feststellen, dass sie nicht die Einzigen sind mit Problemen wie Sexismus und Misogynie. Es sind keine Einzelfälle, sondern strukturelle Probleme, die nicht nur cis Frauen betreffen. Auch Homo-, Trans- und Interfeindlichkeiten sind Produkte struktureller patriarchaler Gewalt. Jeden Tag. Im nächsten Schritt werden gemeinsam Argumentations- und Handlungsstrategien entwickelt. Und es ist auch okay, wenn man sich nicht traut, laut herumzupöbeln. Das ist nicht für jede der richtige Weg. Witze, eine gesunde Arroganz und safe spaces können auch geeignete Wege sein. Dazu wollen wir ermutigen.
Es gibt bereits viele linke und feministische Projekte in Leipzig. Was macht euch besonders?
Vielleicht vorab: Wir haben gar keinen expliziten Anspruch, besonders zu sein. Es braucht jede – oder zumindest fast jede – feministische und antirassistische Stimme. Allerdings ist meine Erfahrung, dass es sehr viele Gruppen gibt, die identitätspolitisch sind. Das ist bei politischen Themen ja meistens so, weil das auch identitätsstiftend ist. Aber viele grenzen sich dadurch sehr von anderen ab und werden exklusiv. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mich viele linke Gruppen als Tussi abgestempelt haben, weil ich mich gerne schminke. Für mich war die Vomensbar insofern von Anfang an eine besondere Gruppe, weil man da unterschiedliche Meinungen auch einfach stehen lassen konnte und eine Person nicht direkt abgewertet wurde. Natürlich ist es trotzdem passiert, dass es mal in Diskussionen heiß her ging. Und es wurde auch gestritten, aber trotzdem sind die Personen beim nächsten Treffen wiedergekommen. Das unterscheidet uns vielleicht von einigen Gruppen in Leipzig, wobei es auch viele andere richtig coole Gruppen gibt, die das gut hinbekommen. Trotzdem ist es uns wichtig, dass wir wirklich 100 Prozent FLINTA* solidarisch sind. Wir versuchen nicht, sexistisches Verhalten nachzuvollziehen, sondern wir verurteilen es von Grund auf. Dasselbe gilt für kapitalistischen Wettbewerb und Ausbeutung. Wir sind eine sehr offene Gruppe, aber in diesen Punkten muss ein Grundkonsens bestehen.
Ich kenne das auch, dass ich mich frage, ob ich links genug aussehe und wenn nein, wie mich die Leute wohl wahrnehmen.
Ja! Und es gibt echt viele Leute, die so empfinden. Ich habe das schon von vielen FLINTA* gehört. Und ich frage mich, wieso kommt es trotzdem dazu? Wieso können wir nicht einfach rumlaufen wie wir wollen und über Utopien reden und aktivistisch sein? Stattdessen scheitert ein gemeinsamer Kampf manchmal schon an Äußerlichkeiten. Unser Podcast soll auch eine Form von Aktivismus sein, eher als ein Weiterbildungsangebot. Außerdem ist es auch ein Empowerment, sich zu trauen, etwas an die Öffentlichkeit zu tragen. Viele, mit denen ich gesprochen habe, waren vorher sehr nervös. Aber am Ende waren alle happy, ihrem Thema Raum gegeben zu haben. Und es ist toll, dass FLINTA* diese Erfahrung machen, denn cis Typen machen das ständig. Die nehmen sich den Raum, den sie brauchen, egal ob es für andere relevant oder interessant ist. Und wir sind ja zudem auch noch hochinteressant! Es sollte eine viel größere Selbstverständlichkeit werden, dass sich FLINTA* diesen Raum nehmen. Und ich empfinde es als große Ehre, daran mitzuwirken. Ich habe mir schon so oft nach den Aufnahmen gedacht: Wie geil sind bitte FLINTA*?
Foto: Moritz Richter, Installation: Lina Mayer
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