Rjana Łužica
Obwohl es uns überall umgibt, gilt Sorbisch heute als Minderheitensprache. Warum das so ist und was die sorbische Community in und um Leipzig gegen Aussterben von Sprache und Kultur tut.
In Namen wie Leipzig, Gohlis oder Lößnig verbirgt sie sich und kaum 100 Kilometer östlich von uns wird sie noch aktiv gesprochen. Dennoch wissen die meisten nur wenig über die Sorbische Sprache.
Schon die Bezeichnung „die Sorbische Sprache“ ist nicht ganz korrekt. Eigentlich gibt es unzählige Dialekte und zwei sorbische Schriftsprachen: Ober- und Niedersorbisch. Beides sind westslawische Sprachen, die nach dem Atlas der gefährdeten Sprachen der UNESCO als gefährdet oder ernsthaft gefährdet gelten. Siedlungsgeschichtlich bedingt ist das Obersorbische mehr an das Tschechische angelehnt. Es wird in der Oberlausitz gesprochen, wo deutsche und sorbische Familien noch nicht ganz so vermischt vorkommen wie in der Niederlausitz. Niedersorbisch ist eben dort, in der zum großen Teil brandenburgischen Niederlausitz, beheimatet und erinnert vom Sprachaufbau her mehr an das Polnische. Wohl auch durch die Nähe zu Berlin wird es aktuell nur noch von wenigen Familien gesprochen.
Obwohl etwa 60 Prozent der sächsischen Ortsnamen ursprünglich aus dem Slawischen und ein großer Teil davon aus dem Sorbischen stammen, ist das durch Eindeutschung heute nur noch teilweise zu erkennen. In den zweisprachigen Lausitzer Ortsschildern aber spiegelt sich die sprachliche Geschichte der Region. Da steht dann unter dem eingedeutschten Namen „Bautzen“ das obersorbische „Budyšin“.
Auch sorbische Kinder wachsen heute zweisprachig auf. „Im gleichen Pensum, wie man Deutsch belegt, hat man in der Schule auch Sorbisch. Im Niedersorbischen gibt es leider nicht mehr ganz so viele Schulen wie bei uns im Obersorbischen und da ist es dann auch aus dem Sprachalltag mehr verschwunden“, sagt Rahel Selnack, Studentin der Sorabistik an der Universität Leipzig.
Sorabistik ist ein Studiengang, den man nur in Leipzig studieren kann. Mit weniger als 20 Studierenden pro Jahrgang gehört er zu den kleinsten an der Universität. Momentan werden beide sorbische Schriftsprachen im Studiengang gelehrt. „Man kann die Module so wählen, dass man sich auf seine Muttersprache konzentriert. Die zweite sorbische Sprache lernt man als zusätzliche Fremdsprache. Es gibt viele Ähnlichkeiten, aber vor allem lautlich einige Unterschiede“, sagt Rahel.
Wer kein*e Muttersprachler*in ist, kann im Vorbereitungskurs die sprachlichen Grundlagen lernen. Das ist wichtig, um dem Unterricht über Siedlungs- und Kulturgeschichte folgen zu können, denn gelehrt wird auf Sorbisch.
Obwohl oder vielleicht gerade weil Sorbisch eine Minderheitensprache ist, sind die Berufsaussichten vielfältig. Rahel sagt, sie könne „Lehrerin werden, in die Sprachwissenschaft gehen, Bücher schreiben, weiterhin beim sorbischen Radio arbeiten oder in die sorbischen Institutionen gehen“. Das sind dann zum Beispiel das Institut für Sorabistik, das sich mit den Studierendenangelegenheiten beschäftigt, die Domowina, der politische sorbische Dachverband, oder die Załožba, die die Gelder verteilt und so etwas wie das Finanzministerium der Sorben und Sorbinnen ist.
In Leipzig bemüht sich unter anderem die sorbische Studierendenvereinigung Sorabija Lipsk um ein Weiterleben von Sprache und kulturellen Traditionen. So wird in der Arno-Nitzsche-Straße, wo die Vereinigung ihren Sitz hat, zum Beispiel das Maibaumwerfen in Tracht gemeinsam gefeiert.
Es sei gerade aber auch viel im Wandel. Neue Kulturprojekte werden angestoßen und Modernisierungen angestrebt. Die sorbische Hymne etwa sei zu männlich orientiert. Obersorbisch heißt es da: „Rjana Łužica, / sprawna, přećelna, / mojich serbskich wótcow kraj (Schöne Lausitz, / ehrliche, freundliche, / Land meiner sorbischen Väter)“ und „Ow, zo bychu z twojeho / klina wušli mužojo (Oh, mögen aus deinem / Schoß Männer hervorgehen)“.
„Die alten Rollenbilder, die vor allem zu Feiertagen wieder aufkommen, sind für viele junge Menschen sehr anstrengend“, sagt Rahel. „Wir wollen, dass sich etwas ändert. Wir wollen das Sorbische ja nicht wegschmeißen, aber dass es mit der Zeit geht. Denn sonst wird es aussterben.“
In den letzten Jahren würden sich die Kinder wieder mehr für das Trachten-Tragen und die Sprache interessieren. „Man muss natürlich auf die Sprache achten. Es ist wichtig, dass wir weiterhin Leute ausbilden, die sprachlich fit sind und wissen, welche Form die richtige ist, damit das Eingedeutschte nicht Überhand nimmt. Aber unsere Bemühungen werden von der Bevölkerung sehr gut angenommen.“ Man müsse den Kleinen die Tradition einfach vorleben, dann würden sie neugierig werden und alles selbst ausprobieren und die Wörter lernen wollen, meint Rahel. „Sorbisch ist immerhin unsere Muttersprache.“
Bilder: Laura Schenk, Rahel Selnack
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