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  • Von der Wut, seine Stimme zu finden

    In der Juni-Ausgabe besuchte luhze Re:vulva im Studio. Der Rapper erzählt vom eigenen Werdegang und davon, Klassenkampf auch im Rap zu erleben.

    An einem lauwarmen Nach­mittag sitze ich bei dem Rapper Re:vulva im Studio, irgendwo im Leipziger Osten. Re:vulva wohnt seit sechs Jahren in Leipzig. Der Umzug in die Stadt war für ihn eine Flucht. Hier konnte er sich rund 400 Kilometer von seinem Trauma entfernt ein neues Leben aufbauen. „Als mehr­fach­ mar­ginalisierte Person ist es schwierig für mich, einen Safe­space zu finden, an dem ich mich wirklich wohl mit den Menschen fühle.“ In einer queer-anarchistischen Grup­­pe im Leipziger Osten hat er eine Com­munity gefunden, mit Men­­schen, die seine Erfah­rungen teilen.

    Sein erstes Album „RESILIENZ“ veröffentlichte Re:vulva im vergangenen Jahr und das zwar mit sechs Jahren Erfahrung im Musikmachen, aber ganz ohne Vorkenntnisse über Produktion oder Musiktheorie: „Meistens habe ich einfach irgendwie nach Gefühl ge­arbeitet.“ Seine Musik kann laut, düster, sanft und oft wütend sein: „Wenn man dissoziiert und erstarrt, ist Wut das erste Gefühl, das man spürt.“ Gerade als weiblich sozialisierte Person sei Wut etwas, das einem abtrainiert werde. Zurück zur Wut zu finden und das Gefühl in seinen Songs zu verarbeiten, ist für ihn eine Form des Empowerments, die er auch für andere FLINTA* reprä­sentieren will. Re:vulvas Auf­treten ist auffällig, er definiert sich auf der Bühne jedes Mal neu. Es gehe auch darum, sein Gegenüber mit seiner Aus­strahlung zu verwirren.

    Das Studio, in dem wir sitzen, haben er und andere Rapper­*innen aus Leipzig gerade erst fertiggestellt: „Wir haben das hier alles selbst gebaut“, erzählt er. Alles selbst machen, das scheint wie das Motiv der Musikkarriere von Re:vulva. „Pro­mo, Technik – ich übernehme alle Aufgaben, die eigentlich ein Manager machen würde, meistens allein.“ Mit einem Management zu ar­beiten, ist im Moment keine Option für ihn: „Ich könnte mir gerade nicht vorstellen, unter Druck zu ar­beiten. Erstmal möchte ich meine Therapie durchziehen und dann sehen wir weiter.“ Die Möglichkeit des eigenen Studios macht es leichter, trotzdem jede freie Minute in seine Musik zu stecken. Früher mussten Ter­mine in fremden Studios perfekt abgestimmt werden: „Wenn man dann einmal nicht in Stimmung ist oder die Technik nicht funktioniert, hat man Pech gehabt.“

    Zugang zu einem Studio – was für manche nach der Grundlage einer Musikkarriere klingt, musste sich Re:vulva hart erarbeiten: „Ich mache seit fast sieben Jahren Musik, Texte schreibe ich seit zehn Jahren. Trotzdem hat es für mich so viel länger gedauert, dahin zu kommen, wo ich gerade bin, weil mir immer die nötigen Res­sourcen und das Geld fehlten.“ Er spricht auch darüber, wie es ihn frustriert, zu sehen, dass viele Rapper*innen mit ihrer Musik durchstarten, weil sie von Haus aus die richtigen Kontakte und finanziellen Mittel dafür haben: „Was ist denn Rap? Es geht doch gerade darum, dass du nix brauchst, außer eben Skills und Realness.“ Das Thema seiner sozialen Klasse begegnete Re:­vulva auf seiner gesamten musi­ka­lischen Reise: „Es macht halt einen Unterschied, wenn ich erstmal anderthalb Jahre sparen muss, um mir einen Laptop leisten zu können.“

    Den Namen Re:vulva, unter dem er nun seit sieben Jahren Musik macht, möchte er bald ablegen: „Ich habe lange über­legt, gerade gefällt mir Radikkali am besten.“ Die aktuellen De­bat­ten um Radikalfemi­nismus mach­en es schwierig für den Rapper, den Namen zu fühlen: „Auch wenn ich meinen Körper nicht ändern muss, um trans zu sein, möchte ich nicht mit diesen Personen assoziiert werden.“ Wir müssen lachen, als wir bemerken, dass der Name Radikkali vielleicht auch in die Schublade gesteckt werden könnte: „Egal! Dann hören sie sich vielleicht meine Musik an und lernen noch was.“

    Foto: Greta Ridder

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