„Viele scheuen sich, einen Antrag zu stellen“
Einen Bafög-Antrag zu stellen, kann viele Fragen aufwerfen. luhze-Autorin Elisabeth Neumann hat sie dem Leiter des Amts für Ausbildungsförderung beim Studentenwerk, Jevgeni Litivinov, gestellt.
luhze: Wie viele Menschen beziehen denn zurzeit Bafög hier in Leipzig?
Wir haben momentan rund 9600 Antragstellende jährlich, von denen im Schnitt 7000 eine Ausbildungsförderung erhalten. Vor zehn Jahren waren es noch ca. zwölf bis 13.000 Anträge jährlich.
Warum und seit wann gibt es eigentlich Bafög?
Wir feiern 50 jähriges Bafög-Jubiläum. Der ursprüngliche Zweck besteht bis heute: eine Chancengleichheit zu schaffen. Es soll Studierenden die finanzielle Sicherheit geben, damit sie sich auf ihr Studium konzentrieren können.
Was sind die größten Irrtümer rund um das Thema Bafög?
Was uns in der täglichen Praxis immer wieder begegnet, ist, dass Studierende sich als Bittsteller bei uns fühlen, was aber überhaupt nicht so ist. Viele wissen nicht, dass Bafög eine Sozialleistung ist und ein Rechtsanspruch besteht. Das heißt, wir als Amt für Ausbildungsförderung prüfen nur die Voraussetzungen, die gesetzlich vorgegeben sind, und wenn diese vorliegen, dann leisten wir das Bafög. Die Zahlung ist nicht von unserem Ermessen abhängig.
Ein weiterer Irrtum ist, dass viele Studierende Angst vor Verschuldung haben, denn die Ausbildungsförderung wird nur zur Hälfte als Zuschuss geleistet und die andere Hälfte ist ein sogenanntes Darlehen und muss theoretisch am Ende der Ausbildung zurückgezahlt werden.
In der Praxis ist es aber so, dass die Rückzahlungssumme gedeckelt ist auf maximal 10.010 Euro.
Ein weiterer Irrtum ist, dass die Eltern zu viel verdienen würden. Bafög hat bestimmte Voraussetzungen, die wir prüfen müssen, unter anderem die Bedürftigkeit. Diese richtet sich auch nach den Einkommensverhältnissen der Eltern. In diesem Zusammenhang lässt es sich aber schwer sagen, ab welcher Summe kein Bafög mehr bezogen werden kann, weil die Faktoren unterschiedliche sind und es auch in unterschiedlichen Konstellationen Freibeträge gibt. Wichtig ist aber auch, dass Bafög nicht nur gezahlt oder eben nicht gezahlt wird, sondern dass von 10 Euro Förderung im Monat bis zum Höchstsatz von 861 Euro alles möglich ist.
Viele scheuen sich auch davor, einen Antrag zu stellen, wenn zum Schluss nur 50 oder 100 Euro Förderung herausspringen sollen, aber da empfehlen wir trotzdem eine Antragsstellung. Ich kenne das selbst noch aus dem Studium. 100 Euro haben oder nicht haben – das ist schon ein großer Unterschied.
Was sind die typischen Fehler, die beim Stellen des Antrags gemacht werden?
Es sind oft die Kleinigkeiten. Irgendein Häkchen ist nicht gesetzt oder ein Feld wurde ausgelassen. Man sollte bei der Antragsstellung darauf achten, den Antrag vollständig auszufüllen und zu unterschreiben. Es kann Konsequenzen nach sich ziehen, wenn man den Antrag nicht unterschreibt oder die Unterschrift erst verspätet einreicht. Der Anspruch besteht erst ab dem Monat, in dem der Antrag unterschrieben eingereicht wird. Er muss noch nicht vollständig, aber zur Fristwahrung unterschrieben sein.
Weitere kleine Fehler passieren oft bei den Einkommensnachweisen der Eltern. Der Klassiker ist, dass Steuerbescheide nicht vollständig eingereicht werden. Oft fehlen die letzten Seiten, weil viele sagen, das ist ja nur noch Text, den braucht das Amt sowieso nicht.
Viele reichen auch in den ersten Semestern ihre Immatrikulationsbescheinigung statt der Bescheinigung nach § 9 Bafög ein. Dabei benötigen wir genau diese.
Was kann man tun, um diese Fehler zu vermeiden?
Die häufigsten Fehler findet man auf unserer Website. Um Fehler zu vermeiden, kann man den Antrag auch über Bafög digital einreichen. Der Antrag ist jetzt bundeseinheitlich. Der Vorteil des Portals ist, dass man mit Fragen und Antworten durch den Bafög-Antrag geleitet wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass man den Antrag unvollständig abgibt, ist minimal.
Welche Ausbildungen sind denn förderungsfähig?
Grundsätzlich sind staatliche Ausbildungen förderungsfähig. Das Hochschulstudium ist der Klassiker. Darüber hinaus können auch unter bestimmten Voraussetzungen schulische Ausbildungen wie das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg oder andere schulische Ausbildungen gefördert werden.
Von welchen Faktoren ist die Höhe des Bafög abhängig?
Bafög ist von vielen Faktoren abhängig, die in einer klaren rechtlichen Reihenfolge herangezogen werden. Wir gehen dabei in drei Schritten vor. Zuerst ermitteln wir den Bedarf des Studierenden ganz pauschal. Das hängt beispielsweise davon ab, ob man während des Studiums bei den Eltern wohnt, oder ob man sich selbst krankenversichern muss. Je nachdem, ob der eine oder der andere Fall zutrifft, liegt der Bedarf für Studierende unter 25, die nicht bei ihren Eltern wohnen, bei 752 Euro.
Im zweiten Schritt schauen wir, ob der Studierende diese 752 Euro selbst decken kann. Es wird geprüft, ob er bedürftig ist. Bedürftigkeit ist im Gesetz definiert. Zunächst schauen wir, ob der Auszubildende einen Teil des Bedarfs von seinem Einkommen oder auch seinem Vermögen selbst decken kann, wobei es großzügige Freibeträge gibt.
Danach kommt es im dritten Schritt auf die Einkommensverhältnisse der Eltern an – aber nicht auf deren Vermögen. Danach entscheidet sich dann hauptsächlich, ob und in welcher Höhe Bafög gewährt wird.
Wie viel Geld darf man noch dazu verdienen, wenn man Bafög bezieht?
Beim Einkommen sind es 5400 Euro auf ein Jahr gesehen beziehungsweise 450 Euro im Monatsdurchschnitt. Dabei ist es egal, ob der oder die Studierende an einem Tag 5400 Euro verdient, dann aber den Rest des Jahres gar nichts, oder ob man pro Monat 450 Euro verdient. Dies führt zu keiner Anrechnung.
Bei Vermögen liegt der Freibetrag momentan bei 8200 Euro.
Da ich selbst Bafög beziehe, interessiert mich natürlich die geplante Bafög-Novelle zum Wintersemester 2022/23. Was können Sie mir denn darüber sagen?
Aktuell liegt ein Gesetzesentwurf vor. Die Novelle hat gute Ansätze und über viele Änderungen sind wir sehr froh. Zum Beispiel ist die geplante Anhebung der Altersgrenze eine gute Entscheidung. Zurzeit darf man für eine Bafög-Förderung zu Beginn eines grundständigen Studiums höchstens 30 und für Beginn eines Masterstudiums 35 Jahre alt sein. Diese Grenze soll auf 45 Jahre angehoben werden. Weiterhin soll der Vermögensfreibetrag von 8200 Euro auf 45.000 Euro angehoben werden. Diese Anhebung führt dazu, dass auch Studierende, die früher knapp kein Bafög bekommen haben, jetzt einen Anspruch haben.
Sind Sie mit den geplanten Änderungen zufrieden?
Was vom Deutschem Studentenwerk – unserem Dachverband – kritisiert wird, ist, dass noch weitreichendere Änderungen zur Verwaltungserleichterung folgen sollten.
Es wird überall festgestellt, dass die Antragsstellungen zurückgehen, man möchte das ändern, ist aber nicht bereit, bestimmte tiefgreifendere Änderungen vorzunehmen.
Zum Beispiel wird immer nur für die Dauer der Regelstudienzeit Bafög geleistet. Ein Drittel der Studierenden benötigt jedoch mehr Zeit.
Weiterhin ist der Leistungsnachweis ein wichtiges Thema, der normalerweise zu Beginn des fünften Fachsemesters fällig wird. Dort müssen die Studierenden nachweisen, dass sie die üblichen Leistungen von vier Fachsemestern haben.
Dies ist jedoch seit der Einführung des Bachelor-Master-Systems in diesen Studiengängen entbehrlich, da der Bachelor nach sechs Semestern eine natürliche Grenze schafft.
Weiterhin sind die Anforderungen an die elternunabhängige Förderung zu hoch. Gerade bei Studierenden, die vorher eine Ausbildung absolviert haben. Man muss nicht nur die Ausbildung abgeschlossen haben, sondern auch noch drei Jahre Berufstätigkeit nachweisen, um eine elternunabhängige Förderung zu erhalten. Das ist zu viel Zeit. Meiner Meinung nach hätte auch ein Jahr Berufstätigkeit ausgereicht, was auch der Rechtsprechung der Familiengerichte im Ergebnis entspreche würde.
Wo findet man die wichtigsten Infos zum Thema Bafög?
Ich empfehle immer die offiziellen Seiten wie zum Beispiel www.bafög.de
Das Deutsche Studentenwerk hat eine sehr aktuelle Seite zum Bafög. Auch unsere eigene Website pflegen wir. Dort findet man auch stets aktuelle Informationen.
Was ich darüber hinaus noch empfehlen kann, ist, dass man unseren Bafög-Weckruf abonniert. Das ist ein Bafög-Newsletter, den wir ca. drei maximal vier Mal im Jahr versenden. Dort wird man zum Beispiel an den Weiterförderungsantrag erinnert oder erhält auch wichtige Informationen.
Foto: Elisabeth Neumann
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