Mit Fiktion zurück zur Realität
Ein Jahr bevor das Prequel „Das Lied von Vogel und Schlange“ in die Kinos kommt, erklärt luhze-Autor Johannes Rachner, warum jetzt genau der richtige Zeitpunkt ist, die Hunger Games-Trilogie zu lesen.
Zwei Soldaten verstecken sich im Gebüsch, im Hintergrund sind Rufe zu hören. Sie werfen sich Wörter auf Ukrainisch zu, von hinten kommt ein weiterer Soldat mit einem Raketenwerfer und feuert. Etwas später hört man eine Explosion aus der Ferne und die Soldaten jubeln, bevor sie sich wieder im Gebüsch verstecken.
Szenenwechsel. Ein Soldat steht in einer sandigen Freifläche, man sieht einzelne Baumgruppen im Hintergrund. Ein Militärhubschrauber fliegt ins Bild, plötzlich bewegt sich alles in Slow Motion. Langsam landet der Hubschrauber hinter dem Soldaten, während dieser mit entspanntem Gesichtsausdruck stehen bleibt und in die Kamera schaut.
Auf seinen Youtube-Channels gibt der ukrainische Travel-Youtuber Anton Einblicke in das Leben während des Krieges in Kyiv und der restlichen Ukraine. Auf Tiktok wechseln sich Aufnahmen von Soldaten, die russische Panzer beschießen, mit „Oh Militär ist ja so cool“-Momenten und Videos ab, die russische Propagandisten zeigen, die gerade beschossen werden. Dieser Kontrast von Realität, Kunst und Fantasie fühlt sich surreal an. Vielleicht ist dieser Wechsel zwischen Actionfilm und Humor einfach nur der Weg, wie Millennials, Generationen Z und Alpha mit der aktuellen Zeit umgehen. Doch dabei geht das Bewusstsein verloren, wie grausam Krieg am Ende ist.
Sich dessen bewusst ist Autorin Suzanne Collins. Ihr Vater, der als Offizier der amerikanischen Luftwaffe den Korea- und Vietnamkrieg miterlebt hat, erzählt ihr schon während sie aufwächst über die Realität von Kriegen. In einem Interview für die Jubiläumsversion eines ihrer Bücher erzählt Collins, dass sie sich deswegen als Autorin das Ziel gesetzt habe, durch ihre Bücher Kindern und Jugendlichen genau diese Inhalte nahezubringen.
Ihre wahrscheinlich bekannteste Buchreihe, die mit dieser Idee entstanden ist, sind die „Hunger Games“ oder „Tribute von Panem“ im deutschen Titel. Collins kreiert eine dystopische Zukunft, in der ein Land, das in vielen Aspekten den heutigen USA ähnelt, in mehrere Distrikte eingeteilt ist. Diese werden vom Kapitol aus regiert. Jedes Jahr finden die sogenannten Hungerspiele statt, für die Kinder und Jugendliche ausgelost werden, die in einer Arena bis zum Tod kämpfen müssen. Die letzte Person, die überlebt, erlangt lebenslangen Ruhm für den eigenen Distrikt. Die Höhen und Tiefen aus dieser Welt erleben Lesende aus der Perspektive der 16-Jährigen Katniss Everdeen, die selbst in diesen Spielen landet.
Ihre Erlebnisse, der Konflikt zwischen den Distrikten und dem Kapitol, zeigen mit viel Liebe zum Detail die Wirkungen von Propaganda durch Medien, die Grausamkeit von Kriegen und wie die verschiedenen Gesellschaftsschichten die Situationen erleben. Besonders gut wird aber dargestellt, dass in einem Krieg niemand sicher ist und es nie wirkliche Gewinner gibt. Es gibt immer Verluste, Horror und Leid, egal auf welcher Seite man steht. Gerade wegen diesem Bezug zur Realität hinter den epischen Kriegserzählungen sollten diese Bücher zusammen mit dem Prequel deshalb weltweit Pflichtlektüre in Schulen sein und das ein oder andere Reclam-Heft ersetzen.
Während das Prequel im Herbst 2023 in die Kinos kommen soll, wurde auch die Trilogie selbst bereits verfilmt und die Filme sind tatsächlich gar nicht so schlecht geworden. Sie sind allerdings die Hollywood-Variante, die auf die breite Masse zugeschnitten ist. Deswegen empfehle ich, die Bücher zu lesen, die viel mehr Details und Emotionen enthalten und die Schreibkünste von Suzanne Collins scheinen lassen.
Credits: Lions Gate Entertainment
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