Wenn Spaniens Blüten blühen
Seit Generationen lebt die Familie Solé von der Ernte ihrer Pfirsichfarm im kleinen Dorf Alcarràs, doch nachdem der Besitzer des Anwesens verstorben ist, will sein Erbe nun das Land verkaufen.
Die Familie des Patriarchen Qumet (Jordi Pujol Dolcet) betreibt ihre Landwirtschaft in einem kleinen Dorf in Katalonien. Doch weil der Großvater den Pachtvertrag seinerzeit nur per Handschlag besiegelt hat und die Großfamilie den Vertrag deshalb nicht mit Papieren bezeugen kann, erhalten sie nun zum Ende des Sommers die Kündigung. Der neue Besitzer will die Bäume fällen und stattdessen Solarpanels installieren lassen – eine Methode, mit der sich mit weniger Aufwand mehr Geld verdienen lässt. Aber das kümmert Qumet nicht. Er ist wütend auf den Großinvestor und will bis zur letzten Minute weiter ernten. Auch wenn er dabei auf die Unterstützung seiner Familie verzichten muss, die seine Sturheit nicht verstehen kann. Mit seiner sturen Haltung zwingt er nicht nur sich selbst, sondern auch seine Frau Dolores (Anna Otin) und seine drei Kinder zu einem Sommer der Stagnation, doch langsam, mit der blinden Fortsetzung der letzten Ernte, gerät die Sache außer Kontrolle.
Die Regisseurin Carla Simón ist selbst auf einer Pfirsichfarm in Alcarràs, Katalonien, aufgewachsen. Die Erfahrungen ihrer Familie, obwohl sie den landwirtschaftlichen Ruin nie selbst erfahren musste, spiegeln sich in der unglaublich authentischen Atmosphäre des spanischen Sommers auf dem Lande wider. „Alcarràs“ begeistert mit einer enorm realistischen Cinematographie. Die Szenen sind so nah am echten Leben, dass man als Zuschauer*in das Gefühl bekommt, man könnte die feuchte Erde unter den Pfirsichbäumen nach dem Regen riechen, beim gemeinsamen Abendessen auf der Familienterrasse läuft einem das Wasser im Mund zusammen, und man spürt die sengende Hitze unter Spaniens Sommersonne, die einen beim Anblick der Poolszenen fast neidisch werden lässt. Die besonders authentische Atmosphäre und die Trägheit unter Spaniens Sonne schmälern jedoch nicht den informativen Inhalt des Werks. Der Konflikt, der sich im Laufe des Films entfaltet, gibt einen seltenen Einblick in die vom Staat geschaffenen Probleme der Landwirtschaft in Spanien und in die Generationenkonflikte, die sich innerhalb der Landwirtsfamilien entwickeln. Besonders interessant ist dabei die naive Sicht der Kinder, die die Farm als eine Art riesigen Abenteuerspielplatz sehen und nicht verstehen, dass ihr Paradies in der kapitalistischen Vertragsgesellschaft nicht überleben kann und ihre Familie in einen Zwist zwischen Moderne und Tradition wird.
Von den wunderschönen Landschaftsaufnahmen bis zum Einsatz ausgewählter Laiendarsteller ist „Alcarràs“ in seiner übergreifenden Erzählung sehr vorausschaubar, aber keinesfalls anspruchslos – seine Stärke liegt in den kleinen, sehr spezifischen Beobachtungen rund um das Leben und Aufwachsen auf einer katalanischen Pfirsichfarm.
Fotos: Lluís Tudela
Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.