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  • Filme von und über Exil-Ukrainer*innen

    Vom 29. Juni bis 3. Juli fand in Leipzig das 19. Mitteldeutsche Kurzfilmfestival statt. Zwei ukrainische Regisseurinnen haben dort ihre Werke vorgestellt, die migrierte FLINTA* in den Fokus nehmen.

    Drei Stühle auf der Bühne und noch bevor überhaupt ein Film lief, ist allen klar: Es besteht Gesprächsbedarf. Und das aus gutem Grund. Auf der Leinwand des UT Connewitz sind am vorletzten Abend des 19. Mitteldeutschen Kurzfilmfestivals beim sogenannten Gastland-Spezial nämlich fünf Filme ukrainischer Regisseur*innen zu sehen. Unter dem Titel „Gewalten“ vereinen sie Geschichten von Unterdrückung, Hunger, Exil, Folter, aber auch Hoffnung – im Angesicht eines Krieges, den zu viele Menschen mit ihren Träumen oder ihrem Leben bezahlt haben.

    Zwei der Filmregisseur*innen sind an diesem Abend anwesend: Mariia Felenko und Anastasiia Pashchenko. Die beiden kennen sich schon von der Kyiver Universität. Nach Kriegsbeginn ist Felenko nach Prag gezogen und studiert nun dort an der Film- und Fernsehfakultät der Akademie der Musischen Künste (FAMU). Pashchenko, die jetzt auch in Prag lebt, hat ebenfalls den Wunsch, ihre Ausbildung dort fortzusetzen.

    In „Pavla aus Brno“ schlendert die Protagonistin in einem markanten Daunenmantel durch die Stadt.

    In ihren Kurzfilmen haben beide Regisseurinnen FLINTA* in den Fokus genommen, die selbst auch migriert sind: Pavla Nikitina, die Hauptfigur in Pashchenkos Dokumentation „Pavla aus Brno“ (2020, 10:31 Min.), ist aus der Ukraine nach Tschechien gezogen, um dort Bildhauerin zu werden. Als der Krieg ausbricht, will sie helfen und findet dafür ihren ganz eigenen Weg, der sie auch bis an die Front führt. In gut zehn Minuten folgen die Zuschauer*innen Pavla bei der konzentrierten Arbeit im Atelier, lebendigen Diskussionen mit ihren Freund*innen und schlendernden Stadtspaziergängen in ihrem markanten Daunenmantel.

    In Felenkos Kurzfilm „Butterfly Dance“ (2021, 16:50 Min.) ist Olena Teliha (Malvina Saliychuk), geborene Shovgenova, die Protagonistin. Mit ihrer Familie flieht die Dichterin und Schriftstellerin 1922 vor dem bolschewistischen Regime aus Kyiv in die ehemalige Tschechoslowakei. Deren Hauptstadt Prag war damals ein Zentrum ukrainischen Exils. Ein Prager Archiv hat Regisseurin Felenko, die jetzt selbst in der Stadt lebt, nach eigenen Angaben auch für ihren Film genutzt: „Viele Informationen über Olena Teliha sind nämlich in der Sowjetzeit verlorengegangen.“

    Kaum ist ein Film vorbei, geht es nach einer kurzen Moderation auch schon mit dem nächsten weiter. Viel Zeit, die Eindrücke zu verarbeiten, bleibt den Zuschauer*innen da nicht. Neben den genannten Kurzfilmen sind auf der Leinwand des UT noch drei weitere zu sehen: „Forever Gorgeous“ (2021, 4:45 Min.) von Alexander Khomenko setzt sich mit den vielen Opfern auseinander, welche die Repressionen des sowjetischen Regimes gefordert haben. Die Dokumentation „Strong in Sprit“ (2018, 20 Min.) von Vyacheslav Bihun erzählt, wie Yuri Yatsenko zum ersten ukrainischen politischen Gefangenen in Russland wurde. „Family Name in the Pocket“ (2019, 13:14 Min.) von R. Stepan Koval nimmt das Schicksal eines Kindes in den Fokus, dessen Mutter es vor dem Hungertod durch den Holodomor retten will.

    Beim Holodomor handelt es sich um eine Hungersnot in der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Er war eine Folge der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft unter der Sowjetunion und hat Millionen Menschen das Leben gekostet. Später wurde der Holodomor vom ukrainischen Parlament als Genozid eingestuft.

    Das ist international umstritten und spielt auch vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Krieges eine wichtige Rolle für das Framing von Identität und Geschichte. Ihre eigene Bedeutung und die ihres künstlerischen Schaffens in letzterer einzuschätzen, sei zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich, sagt Regisseurin Pashchenko. „Wir werden unsere Rolle erst in zehn Jahren verstehen können.“

     

    Zwei der Filme, die beim „Gastland-Spezial“ gezeigt wurden, sind auch online verfügbar und können hier angesehen werden:

    „Pavla aus Brno“ (2020, 10:31 Min.) auf Youtube: youtube.com/watch?v=LtLTQ_YsveI

    „Family Name in the Pocket“ (2019, 13:14 Min.) auf Filmfreeway: filmfreeway.com/FAMILYNAMEINTHEPOCKET

     

    Regisseurin Mariia Felenko informiert auf Instagram über künftige Screenings von „Butterfly Dance“ (2021, 16:50 Min.): instagram.com/olena.teliha/?igshid=YmMyMTA2M2Y%3D

     

    Folgende Filme sind außerdem bei den verschiedenen Wettbewerben des 19. Mitteldeutschen Kurzfilmfestivals ausgezeichnet worden:

    Animation

    Publikumspreis: „Into the Cutezone“ (2020, 4:58 Min.) von Niklas Wolff

    Jurypreis: „Affendomino“ (2021, 4:07 Min.) von Ulf Grenzer

    Dokumentation

    Publikumspreis: „Der Dreher – 81RPM“ (2021, 14:05 Min.) von Robin Trouillet

    Jurypreis: „Alturas“ (2020, 29:59 Min.) von Roxana Reiss

    Fiktion

    Publikumspreis: „Eigenheim“ (2021, 23:06 Min.) von Welf Reinhart

    Jurypreis: „Return“ (2022, 16:30 Min.) von Ghiath Al Mhitawi

    Experimental

    Publikumspreis: „13 Versuche, die Luft anzuhalten“ (2020, 15 Min.) von Emerson Culurgioni, Florian Fischer, Anna Friedrich, Juliane Jaschnow, Jana Keuchel, Kathrin Lemcke, Jonas Matauschek, Andrea Rüthel, Stefanie Schroeder, Ginan Seidl, Nick Teplov, Clara Wieck und Katharina Wittmann

    Jurypreis und Mitteldeutscher Kamerapreis: „21:71 Uhr“ (2021, 11:18 Min.) von Joey Arand

    Nachwuchspreis Sächsischer Filmverband

    „Der Gesang der Fliegen“ (2021, 15 Min.) von Ana Maria Vallejo

     

    Fotos: Screenshots aus dem Film

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