„In Love in the Forest“
Das English Theatre Leipzig präsentiert „Arden“ – eine moderne Adaption von Shakespeare’s „As You Like It“.
Die etwas gekürzte Shakespeare-Inszenierung hat Regisseurin Letizia Rivera nach dem Handlungsort benannt: dem Forest of Arden. Dort treffen einige Verbannte aufeinander, vertrieben durch den bösen Duke des Herzogtums: Rosalind, Tochter des alten Dukes, ihre Freundin Celia, zwei Hofnarren, Orlando, der sich mit seinem Bruder wegen des Erbes verkracht hat und der dauerphilosophierende Lord Jacques. Im Laufe der Geschichte erleben sie Abenteuer, finden zusammen, verknallen sich, und die Liebe siegt, naja, fast.
Davor gibt es erst mal viele Missverständnisse. Rosalind, in die Orlando sich am Hof des Dukes verguckt hat, verkleidet sich als Mann und nennt sich Ganymede, um auf der Flucht unerkannt zu bleiben. Als sie im Wald auf Orlando trifft, verspricht sie ihm, ihn von seinem Liebeskummer zu erlösen, wenn er sie (also ihn) so umwirbt, wie er es bei Rosalind tun würde. Die Geschichte ist zeitlos, aufgezwungene Missverständnisse erschweren die Kommunikation, erschaffen aber auch eine lustige Handlung mit viel Drive. Dem Romantikgenre haftet ja immer der Verdacht des Kitsches an. „Arden“ gelingt jedoch auf humorvolle Weise, wovon viele Liebesgeschichten nur ein billiger Abklatsch sind: Die romantische Liebe wird einerseits mit allen Höhen und Tiefen dargestellt, andererseits auf die Schippe genommen – ohne auf eine Seite hin zu übertreiben. Irgendwann verteilt Orlando Liebesbriefe an seine Angebetete im Publikum. Auf denen stehen dann Sachen wie: „Your face reminds me of you.“ Wer würde da nicht dahinschmelzen?
Orlando, der am Anfang noch als supercooler Held daherkommt, erweist sich beim Flirten als völlig hilflos. Er schweigt seine Angebetete an, obwohl er ihr eigentlich seine Liebe gestehen will. Als er das dann überwindet, spricht er ihren Namen ständig falsch aus („Rosalllaaaaaiiiind“ statt „Rosalind“) und singt ihr eine abgewandelte Version von Oasis „Wonderwall“ vor. Apropos Gesang: Das Stück enthält zahlreiche Musikeinlagen, die wunderbar gelungen sind – sogar ein Rapsong ist dabei.
Trotz des Shakespeare’schen Englisch bleibt die Handlung für moderne Zuschauer*innen gut verständlich. Und wenn von „modern“ die Rede ist: Die Inszenierung wird den Ansprüchen der heutigen Zeit nach einem reflektierten Umgang mit Geschlechterrollen gerecht. Rosalind karikiert als Ganymede verkleidet herrlich das antiquitiert-verbreitete Männlichkeitsideal des coolen Machos, das Gott sei Dank im Zuge feministischer Diskurse an Boden verliert. Orlando tritt nicht als angeberischer Checker, sondern als schüchterner Liebhaber auf – dadurch gewinnt er für mich Identifikationspotenzial und Glaubwürdigkeit. Am Ende finden übrigens auch zwei Männer zueinander.
Die Hauptrollen sind hervorragend besetzt. Josiane Segar als Rosalind feuert ein ganzes Gagfeuerwerk ab und spielt viel mit Slapstick, was den entsprechenden Szenen voll gerecht wird und einiges an Können voraussetzt. Sie gibt dem Begriff „Körpersprache“ eine neue Bedeutung und zeigt, was allein mit Mimik, Gestik und Bewegungen alles möglich ist. Faszinierend ist dabei, dass sie auch die ernsten Teile ihrer Rolle stark rüberbringt. Emre Atay als Orlando meistert die Gratwanderung vom tapferen Kämpfer zum verwirrten Lover und zeigt dabei ganz verschiedene Facetten seines Spiels. Und Peter Hubbard als Jacques könnte auch in jeder guten amerikanischen Sitcom mitspielen, er vereint Ernst und humorvolle Einlagen bravurös.
Die beiden von Pablo Franchini und Armin Hertel dargestellten Hofnarren tragen das Stück zusätzlich durch ihre witzigen Showeinlagen – vom Tennisspielen bis zum Sockenpuppentheater. Leon Keim, der als Orlandos Bruder und als Wrestler auftritt, überzeugt voll. Jaqueline Fischer als Celia droht mit ihrem ruhigen Spiel manchmal neben all diesen Charismabomben unterzugehen. Das könnte aber auch mit ihrer Rolle zusammenhängen. Zu erwähnen ist noch Junyu Li, die in einer Minirolle auftritt. Ihre Beteiligung umfasst außerdem die Bearbeitung des Textes mit Regisseurin Letizia Rivera.
Positiv hervorzuheben ist außerdem die Choreografie, sei es bei wrestlingmäßigen Kämpfen oder dem ständig übereinander stolpernden oder untereinander durchschlüpfenden Narrenpaar. Zeitgenössische und historische Elemente werden vermischt: Sei es bei den Kostümen oder der Verbindung von moderner Musik und Dialogen in altem Shakespeare-Englisch – all das wirkt nie gezwungen, sondern fügt sich harmonisch ineinander.
Die Inszenierung schafft es, eine andere Welt entstehen zu lassen, in die das Publikum wie durch ein Fenster hineinschaut. Gleichzeitig wird die Grenze zwischen Bühne und Zuschauer*innen durch Orlandos Liebesbriefe und den grandiosen Schlussmonolog immer wieder durchbrochen – diese Möglichkeit hat keine Kunstform so sehr wie das Theater.
Weitere Aufführungen von „Arden“: Freitag, den 16. September, und Samstag, den 17. September – jeweils um 20 Uhr – Neues Schauspiel Leipzig – Lützner Straße 29.
Bild: English Theatre Leipzig
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