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  • „Es ist wirklich ganz unmöglich, sich hier zu verlaufen…“

    Die Menschen sollten mehr Thriller lesen. Vor allem jetzt, wenn die Tage länger werden und man abends lieber zu Hause bleibt. Deshalb empfiehlt luhze-Autor Hannes Ulrich "Das Mädchen" von Stephen King

    „Bist du nie des nachts durch Wald gegangen,

    wo du deinen eignen Fuß nicht sahst?

    Doch ein Wissen überwand dein Bangen:

    Dich führt der Weg.“                                              Auszug aus dem Gedicht „Nachts im Wald“ von Christian Morgenstern

     

    Doch was ist, wenn wir einen falschen Schritt machen und von unserem sicheren Weg abkommen? Wenn wir kilometerweit in die falsche Richtung laufen und uns verirren? Ängstlich, frierend und hungernd, ohne eine Verbindung zur Außenwelt? Mit dieser schaurigen Vorstellung konfrontiert uns Horrorlegende Stephen King in seinem erstmals 1999 erschienenen Roman „Das Mädchen“. Er macht uns mit der neunjährigen Trisha vertraut, die sich bei einem harmlosen Wanderausflug mit ihrer Familie im Wald verläuft. Anfangs noch in dem Glauben, gleich wieder mit ihrer Familie vereint zu sein, muss sie schnell feststellen, dass alles für sie gleich aussieht und sie die Orientierung verloren hat. Und je tiefer die Sonne steht, desto näher kommt sie dem Grauen der Wälder.

    luhze-Autor Hannes Ulrich liest an eine Säule gelehnt "Das Mädchen" von Stephen King

    Es gibt keinen Ort, an dem man nicht lesen kann. Foto: hu

    Trishas Umstände verschlechtern sich von Seite zu Seite, sie verirrt sich immer tiefer. Es wird schnell schauriger, dunkler und vor allem einsamer, da sie keine weitere Gesellschaft außer der scheinbar leblosen Natur hat. Dadurch bekommt der Leser einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt und die Psyche einer Neunjährigen und wie sie versucht, einen Ausweg aus der Situation zu finden und nicht den Verstand zu verlieren. Allerdings ist die menschliche Psyche nun mal nicht darauf ausgelegt, tagelang alleine zu sein, vor allem nicht die Psyche eines kleinen Kindes. Somit passiert es fast unausweichlich, dass Trisha langsam anfängt durchzudrehen und man irgendwann auch nicht mehr als Leser weiß, was Realität ist oder was sich nur in ihrem Kopf abspielt. Denn irgendwann hat Trisha das Gefühl, beobachtet zu werden.

    King schafft es wie kein Zweiter, dabei Trishas Emotionen über Angst, Hoffnung, Enttäuschung, Wut und Verzweiflung zu beschreiben. Da Trishas Familie und die Suche nach ihrer Tochter nur am Rande beschrieben wird, kann ich als Leser voll in ihren Überlebenskampf eintauchen. Es ist zwar nicht dieser klassische gruslige Horrorroman, wie ich ihn von Stephen King gewohnt bin. Allerdings erreicht er nicht zuletzt durch detaillierte Beschreibungen des dunklen Waldes, dass ein beklemmendes Gefühl beim Lesen entsteht. King zeichnet ein beängstigendes Bild des menschlichen Geistes, zeigt aber auch, unter welchen Umständen dieser viel aushalten kann. Ich als Leser habe das Gefühl, selbst durch die Wildnis zu irren und will einfach wissen, ob Trisha dem Wald und dem, was sich in ihm befindet, entkommt.

     

    Grafik: Sara Wolkers

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