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  • Der rote Faden

    Dass nicht immer Urlaub ist, bedauert Kolumnist Franz. Neben dem Schreiben von Artikeln kann auch sie zu lesen eine Frage der Disziplin sein.

    Manche mögen das hinbekommen können: Leben, statt zu funktionieren. Für mich geht das aber irgendwie nie auf Dauer. Im Urlaub ist es wunderschön – klar gibt es Verpflichtungen. Die Fähre nach Capri fährt um halb zehn, also muss bis dahin der Ticketschalter gefunden worden und die Schlange vor mir verschwunden sein. Sonst verfällt ja die schon bezahlte Onlinereservierung. Das möchte ich mir nicht mal im Urlaub erlauben. Trotzdem sehr schön. Meistens ausschlafen – außer am Capri-Tag –, essen und schnellen Schrittes bummeln.

    Den schnellen Schritt werde ich auch im Urlaub nicht los. Auf der Arbeit andererseits bekomme ich die Artikel nur fertig, weil sie eine Deadline haben. Genauso entsteht auch diese eigentlich freiwillige, da unentgeltlich verfasste, Kolumne. Zwar mal nicht auf den letzten Drücker, aber zehn Minuten bevor ich schlafen gehen wollen muss. Denn ob ich an einem der nächsten drei Abende Lust empfinde, zu schreiben, bezweifle ich – mache ich das doch schon tagsüber.

    Kolumnist Franz sitzt auf einem Sitzplatz in einem Zug der österreichischen Bundesbahn. Er trägt eine beige Hose, einen buten Pulli, eine FFP2-Maske und schläft.

    Kolumnist Franz bei der Arbeit. Foto: Julia Nebel.

    Nach der vierten Wiederholung von Haddaways „What is love“ habe ich mir eine Playlist auf Youtube mit diesem Lied eingerichtet, um nicht mehr auf „Nochmal abspielen“ drücken zu müssen. Der Ad-Blocker ist sowieso immer an. Wie gemein der Streaming-Plattform gegenüber – ob das daran liegt, dass Werbung zu Beginn meines Internetlebens noch verpönter war und die gute Freeware auch frei von Werbung zu sein hatte?

    So funktioniert hier eine Kolumne ohne roten Faden herunter. Laut des Zeit-Kolumnisten Axel Hacke in seinem Artikel über Heiterkeit wäre es schon in Ordnung, nicht jedes Mal einen Hammertext abzuliefern. Es darf auch mal einfach nur „okay“ sein. Dem Teaser nach ging es auch in der vergangenen luhze-Kolumne um etwas Ähnliches. Ich muss gestehen, dass ich den Text wie zu viele, die mich täglich konfrontieren, nur überflog.

    Ich hoffe darauf, dass ich genieähnlich plötzlich höchste journalistische Lyrik ausspucke – befürchte dabei, genau das nie zu können. Ein Vorgesetzter, der sich für meine Einstellung bei der Zeitung sehr eingesetzt hatte, ging vor kurzem in Rente und ich fürchte nun aus der Probezeit zu fliegen. Es ist verhext, die Tastaturen scheinen für mich nicht zu funktionieren, sie produzieren Banales. Ob das funktioniert?

    Es sind erst 2.000 Zeichen. Für eine luhze-Printkolumne wäre das genau die richtige Länge. Für Online sollten es mindestens 3.000 sein oder 2.000 perfekt auf den Punkt formulierte Zeichen. Mich kurz halten kann ich, weil ich nichts zu sagen habe. Außer genervte Flüche, aber die spreche ich lieber aus. Bietet sich ein Infokasten an, um den Artikel zu strecken? Nicht wirklich. Das ist ein Kniff, der sich nur im Print bei mehrspaltigen Texten voll entfaltet.

    Wozu? Will ich erfolgreich sein? Unterwerfe ich mich fremden Maßstäben einer entfremdeten kapitalistischen Gesellschaft? Habe ich anarchischen Instinkt oder gelingt es mir nicht, mich Unterwerfungsversuchen zu widersetzen? Einen Abschluss habe ich nach einem mittellangen Studium nicht gemacht, stellten sich Prüfungen als nervtötende Rituale gesellschaftlicher Disziplinierung heraus. Funktionieren tue ich trotzdem. Bis sich wieder eine Gelegenheit zum Ausbruch irgendeiner Art bietet, die sanft ausschaut. Morgen ist das aber nicht, da wartet ein Mensch darauf, dass ich über eine gespendete Bank im Stadtpark spreche und schreibe.

    Artikelfoto: Franz Hempel

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